Über Möglichkeiten, Flüchtlingsunterkünfte aus Holz zu bauen, berichtet Joachim Hörrmann von proHolzBW im zweiten Teil unseres dreiteiligen Interviews.
Redaktion: Herr Hörrmann, wer Flüchtlingsunterkünfte bauen will, braucht einen Plan, der die Entscheider überzeugt. Wie geht der selbstständige Zimmermann am besten vor, um kommunale Bauaufträge zu erhalten?
Joachim Hörrmann: Man muss es ‘wuseln lassen‘, wie man im Schwäbischen sagt. Sich mit den Verantwortlichen im Rathaus zusammenzusetzen, ist ein ganz wichtiger Schritt. Denn der Bürgermeister, der Ortsvorsteher, der Kämmerer und selbst der Vorsitzende des Bauausschusses wissen oftmals nicht, was ein Zimmereibetrieb so alles macht. Man muss diesen Leuten sagen, dass das Leistungsspektrum auch den Holzhausbau umfasst! Darüber gilt es zu informieren, und zwar aktiv! Es gilt, sich als leistungsfähig und -willig ins Gespräch zu bringen. Nicht nur im örtlichen Bauausschuss, sondern auch im Amt für öffentliche Ordnung, in der Mittelstandsvereinigung sowie in den Sportvereinen kann man auf die eigene Bereitschaft zur Mitwirkung beim Bau von Flüchtlingsunterkünften hinweisen. Je breiter man die Botschaft streut, desto schneller spricht sie sich herum.
Redaktion: Sich bekannt zu machen, ist oft aber nur halbe Miete auf dem Weg zum Bauauftrag. Schließlich gibt es Mitbewerber, die ebenfalls zum Zuge kommen wollen. Welche Hürden sind zu überwinden und wie stellt man das am besten an?
Joachim Hörrmann: Grundsätzlich gibt es aus Sicht der Gemeinde zwei Wege, Aufträge zum Bau von Flüchtlingsunterkünften zu vergeben: Die Beauftragung kann bei vorliegender Dringlichkeit direkt, das heißt ohne Ausschreibung, an ein ausgesuchtes Holzbauunternehmen vorgenommen werden. Das ist vor allem bei Erstunterbringungen der Fall. Je bekannter ein Zimmereibetrieb bzw. Hausbauunternehmen im Rathaus ist, desto größer ist seine Chance, den Auftrag zu bekommen. Auch die Beschränkte Ausschreibung wird häufig praktiziert. Die Öffentliche Ausschreibung ist zu langwierig.
Redaktion: Daneben gibt es aber auch die Notwendigkeit zur Folgeunterbringung von Flüchtlingen, über deren Asylanträge bereits positiv entschieden worden ist und die somit das Recht zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland haben. Wie stehen da die Chancen des Holzbaus?
Joachim Hörrmann: An dauernutzbare Folgeunterkünfte werden hohe bautechnische Anforderungen gestellt. Das ist für den Holzbauunternehmer äußerst positiv, da er bei der Vorstellung seines Konzepts mit zahlreichen Argumenten punkten kann, die für das Bauen mit Holz sprechen.
Redaktion: Welche Argumente sind für die Entscheider im Rathaus besonders relevant?
Joachim Hörrmann: Zunächst einmal ist die Tatsache von Belang, dass das Holz, aus dem Flüchtlingswohnheime errichtet werden, in der Regel aus nahegelegenen Forsten stammt. Die Gemeinde, die den Bau von Flüchtlingsunterkünften in Holzbauweise in Auftrag gibt, stärkt somit die regionale Wirtschaft. Die auszuführenden Arbeiten werden nicht von anonymen Maschinen erledigt, sondern von Menschen ausgeführt, die aus der betreffenden oder einer Nachbargemeinde stammen, persönlich bekannt sind und mit ihren Familien und Verwandten am Ort leben. Das kommt bei der Bevölkerung sicher besser an als das Liefernlassen uniformer Blechcontainer von weither.
Redaktion: Aber sind handwerkliche Bauleistungen nicht unweigerlich viel teurer als möblierte Fix-und-fertig-Quartiere aus Blech?
Joachim Hörrmann: Keineswegs! Richtig ist, dass der Holzbau durch die Möglichkeit zur präzisen Vorfertigung großer Elemente in der Halle mit erheblichen Preisvorteilen punkten kann. Das dürfte neben dem Bürgermeister insbesondere den Kämmerer interessieren. Ein Preisvergleich öffnet rasch die Augen, die Ersparnis ist oft beträchtlich, wenn ein erfahrener Holzbauunternehmer beauftragt wird.
Redaktion: Was sollten die Entscheider im Rathaus außerdem über die Leistungen von Zimmereibetrieben wissen, die den Holzhausbau anbieten?
Joachim Hörrmann: Holzkonstruktionen lassen sich auf computergesteuerten Abbundanlagen in großer Formenvielfalt herstellen. Somit können die Baukörper dem Ortsbild flexibel angepasst werden, was man von Blechcontainerstapeln nun wirklich nicht behaupten kann. Unterkünfte aus Holz gibt es in ein- bis dreigeschossiger Bauweise mit Flach-, Sattel- oder Pultdach. Als Dachtragwerk kommen häufig robuste Nagelplattenbinderkonstruktionen in Betracht, was ebenfalls Preis- und Zeitvorteile mit sich bringt.
Redaktion: Ihren ersten Winter haben die nach Deutschland Geflüchteten augenscheinlich glimpflich überstanden. Was aber steht ihnen in der heißen Jahreszeit bevor?
Joachim Hörrmann: Bei Außentemperaturen von 30 Grad Celsius und mehr möchte wohl niemand in einem Blechcontainer schwitzen; die Aufheizung ist enorm, vor allem bei fehlender Beschattung. Für gedämmte Holzkonstruktionen spricht, dass sie die sommerliche Hitze bis zum Abend puffern. Eine Abkühlung der Wohn- und Schlafräume lässt sich dann ganz einfach durch Stoßlüften erzielen.
Redaktion: Herr Hörrmann, haben Sie vielen Dank für das informative Gespräch.
VORSCHAU: Mit architektonischen, städtebaulichen und sozialen Aspekten des Bauens von Flüchtlingsunterkünften aus Holz befasst sich der dritte Teil des Interviews mit Joachim Hörrmann, der Anfang April veröffentlicht wird.
Wissenswertes über die proHolzBW GmbH, ihre Aufgaben und Ziele finden sich im Internet auf www.proholzbw.de Dort ist auch eine ständig wachsende Anzahl an Konzepten und Plänen hinterlegt, die interessierte Zimmereibetriebe mit verwenden können. Bei der proHolzBW-Geschäftsstelle liegt außerdem eine ausführliche Beratungsmappe bereit, die Auskunft über bauliche Merkmale temporärer Unterkünfte, einen Leitfaden zur Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Referenzbauten enthält.