Von den derzeit rund 1.850 Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie privaten Banken ist die überwiegende Mehrzahl der Institute nicht börsennotiert. Viele sind wegen der Anzahl ihrer Beschäftigten oder auch der einschlägigen Regelungen in den Sparkassengesetzen der Länder nicht mitbestimmungspflichtig - auch daran knüpft die Frauenquote an.
"Gerade Kreditinstitute und Finanzdienstleister sind jedoch gut beraten, die Chancen dieser Idee auszuloten. Und das nicht nur, weil die 'golden skirts' sehr schnell bei den großen oder innovativen Instituten berufen sein werden", erläutert Lister. "Sondern auch, weil Aufsichtsrätinnen und -räte maximal fünf Mandate, bei Kreditinstituten lediglich drei wahrnehmen dürfen".
"Grundsätzlich ist die Berücksichtigung von qualifizierten Frauen für Führungspositionen und Aufsichtsgremien ein Gebot der Fairness", erklärt Dr. Irina Kummert, Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft e.V.. Die Personalberaterin für Banken und Kapitalverwaltungs-Gesellschaften ist aber auch davon überzeugt: "Wer jetzt handelt, der gewinnt die besten Aufsichtsrätinnen für sich."
Lister ergänzt: "Die Frauenquote ist eine Chance, nochmals über Anforderungs- und Qualifikationsprofile von Aufsichtsräten auf der Arbeitgeber- wie auch auf der Arbeitnehmerbank konstruktiv nachzudenken. Die neue gesetzliche Regelung betrifft nicht alle, die Forderung nach 'good governance' aber sehr wohl. Deshalb waren, sind und bleiben qualifizierte Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte ein Qualitätsmerkmal".
Fahrlässig, zumindest eine verpasste Chance wäre es nach Ansicht des Steinbeis-KAV, wenn Banken, Sparkassen und andere Finanzdienstleister es unterlassen, sich um Frauen zu bemühen.
"Selbst wenn die angekündigte gesetzliche Regelung in vielen konkreten Fällen derzeit nicht relevant ist, so ist dieses formale Argument viel zu kurzsichtig", so Dr. Rudolf Lütke Schwienhorst, Direktor des Steinbeis-KAV.
Selbstverständlich müssten Kompetenzen für die besonderen Bank-Aktionsfelder, wie zum Beispiel den Finanzbereich und die Risikosteuerung, im Aufsichts- und Verwaltungsrat vertreten sein. Ausschließliches 'Schmoren im eigenen Saft' behindere allerdings den 'Blick über den Tellerrand'.
"Waren die Herausforderungen der Vergangenheit durchaus noch mit einem Maximum an Expertentum zu lösen, so geht es bei den komplexen Problemen der Gegenwartzunehmend darum, eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven in den Lösungsprozess einzubringen", erläutert Lütke-Schwienhorst. Aus der Sicht der Kreditinstitute und ihrer Aufseher sei dies der eigentliche Gewinn der aktuellen Diskussion über Frauenquote und im weiteren Sinne auch über Diversität: "Die Sicht einer Unternehmerin aus dem Mittelstand, einer Juristin mit Auslandserfahrung oder einer Marketing- und Vertriebsfachfrau aus einem internationalen Konzern auf die Entwicklung einer Bank sind in bestimmten Phasen der Unternehmensentwicklung eine Bereicherung für das Aufsichtsgremium und somit für die Ausrichtung des Bankgeschäfts", so Lütke-Schwienhorst.
"Die Mischung macht den Erfolg aus", fasst Lütke Schwienhorst die Debatte zusammen, "neben den 'gestandenen Bankern' und ausgewiesenen Finanzfachleuten sind gerade engagierte, verständige Branchenfremde ein Gewinn für Aufsichtsgremien, die sich ihren Vorständen als Sparringspartner für Visionen, Strategien, Unternehmensentwicklungen anbieten."
Entscheidend seien Menschen, die sich hinter den nackten Kennzahlen auch Geschichten und Geschäftsmodelle vorstellen können. "Wer aus den reinen Zahlenkolonnen zwischen den Zeilen eigene Vorstellungen von den dazu passenden operativen Maßnahmen entwickelt, wer die Zahlen auf dem Papier in Maßnahmen vor Ort übersetzen kann, der kann und wird einen Vorstand konstruktiv-kritisch begleiten können und begleiten wollen", so Lister.
Überzeugt sind die Partner des Steinbeis-KAV, dass viele geeignete Kandidatinnen für Aufsichtsgremien durch entsprechende Schulungen und Weiterbildungen "sehr zügig und kontinuierlich" qualifiziert werden können und müssen. "Qualifizierte, konstruktive und kritische Diskussionen im Vorfeld von Entscheidungen sind ein Gewinn für jede Bank, deren Mitarbeiter und Kunden", weiß Lister.
Steinbeis-Kompetenzzentrum für Aufsichts- und Verwaltungsräte (Steinbeis-KAV)
Das Steinbeis-KAV wurde 2013 von Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Prof. Dr. Michael Lister und Dr. Thomas Altenhain gegründet.
Zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Peter Doetsch, Dr. Rudolf Lütke Schwienhorst und Thomas Schulz bilden sie das Leitungsteam des Kompetenzzentrums, das zur Bearbeitung seiner Projekte und Publikationen auf viele der rund 70 Autoren aus der Wissenschaft, der kreditwirtschaftlichen Praxis, aus der Bankenaufsicht und den beratenden Berufen zurückgreift, die an dem von Hölscher und Altenhain herausgegebenen "Handbuch Aufsichts- und Verwaltungsräte in Kreditinstituten" mitgewirkt haben.
Ziel des Steinbeis-KAV ist es, sowohl angehende als auch bereits bestellte Aufsichts- und Verwaltungsräte aus Banken und Sparkassen zu qualifizieren, zu beraten und während der Zeit des Mandats zu begleiten. Das Steinbeis-KAV trägt über Publikationen und Seminare, aber auch maßgeschneiderte Beratung und pragmatisches Coaching dafür Sorge, dass die Organmitglieder ihre Rechte, Pflichten und Haftungsregeln kennen, verstehen und anwenden können. Es bietet eine einzigartige Plattform, um juristisches, betriebswirtschaftliches und bankstrategisches Anwendungswissen für Aufsichts- und Verwaltungsräte von Finanzdienstleistern aktiv im Dialog zu erarbeiten und ständig zu erweitern und zu verbessern. Insbesondere bei den sogenannten "weichen Faktoren" wie Teambildung, Konfliktlösung oder Kommunikation.
Das Steinbeis-KAV ist Bestandteil des Steinbeis-Verbundes. Die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung, 1971 gegründet, ist die Dachorganisation von Steinbeis-Unternehmen, u.a. auch der Steinbeis Hochschule Berlin.
Das Steinbeis-KAV ist eine Abteilung des WKZ Wirtschaftswissenschaftlichen Kompetenzzentrum der Steinbeis-Hochschule Berlin, das sich als Wissenszentrum in den Forschungsbereichen Finanzierung, Bankmanagement und Controlling versteht.