Der Hamburger Insolvenzrichter Dr. Andreas Schmidt und der Insolvenzverwalter Bernd Depping von der Kanzlei dnp Depping berichten beide, dass die Gläubiger "hellwach" seien und sich aktiv darum bemühten, gerichtlich angeordnete Sanierungsverfahren mit zu gestalten.
Gläubiger sind aktiv geworden
Mehr denn je sei es die Aufgabe der Sanierungsberater, schon im Vorfeld eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Interessen der verschiedenen Gläubigergruppen zusammenzuführen. "Gerade lokale Banken und Kreditinstitute fühlten sich in der Vergangenheit vernachlässigt", so Depping. "Ebenso wie gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmervertreter haben sie jetzt vorsorglich bei den Gerichten geltend gemacht, dass sie künftig ihre Interessen als Gläubiger aktiv wahrnehmen wollen."
Schmidt bestätigte, dass der Gesetzgeber sein vornehmstes Ziel wohl erreichen werde: "Die Gläubiger haben erkannt, dass Sanierungsverfahren planbarer und verlässlicher sind. Darüber hinaus bekommen die aktuellen Verfahren eine neue Qualität an Transparenz, weil die Gläubiger sehr viel früher als bislang aktiv in Verfahren eingebunden sind und sich auch gegenseitig kontrollieren. Der Gesetzgeber lag richtig, das Heft neu in die Hand zu nehmen und den Rahmen für eine neue Sanierungskultur zu gestalten, auch wenn das Gesetz in fünf Jahren doch nochmals überprüft werden soll."
Anforderungen an alle Beteiligten im Verfahren gestiegen
Insolvenzrichter Schmidt wies darauf hin, dass die Voraussetzungen "ein Verfahren überhaupt in Gang zu bekommen", deutlich gestiegen seien. Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sei in der Regel zeitkritisch: "Die Insolvenzgründe müssen also nachvollziehbar und transparent sein, damit keine wertvolle Zeit verloren geht. Es gilt, mit einem gründlich vorbereiteten Konzept an den Tisch des Insolvenzrichters zu treten."
Depping verwies darauf, dass der verantwortungsvolle Umgang mit dem ESUG - insbesondere mit dem Institut der Eigenverwaltung - bei Richtern wie bei Beratern offensichtlich auch eine Generationenfrage sei: "Der Richter hat in der Vergangenheit unabhängig den Insolvenzverwalter bestellt, der der kleine König im Unternehmen sein konnte", so Depping. "Künftig werden Insolvenzverwalter und Sanierungsberater den Sanierungsprozess in Teamarbeit als Mediator begleiten."
Schmidt ergänzte, dass manche Gerichte in Deutschland die Eignung der Sanierungsberater gründlich prüfen würden, die bislang nicht bei dem jeweiligen Insolvenzgericht gelistet seien. "Durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die Insolvenzrichter bislang die Fälle all jener Sanierungsberater vorgelegt bekamen, deren Bemühungen um eine außergerichtliche Sanierung gescheitert waren."
Bankenvertreter verwiesen darauf, dass auch die Anforderungen an Quantität wie an Qualität der Gläubigerausschüsse steigen würden und einige Großbanken bereits ihre Mitarbeiter ausschließlich auf Institutsmandat in Gläubigerausschüsse entsenden würden.
Schutzschirmverfahren - Allzeit zahlungsfähig trotz drohender Zahlungsunfähigkeit?
Einige Teilnehmer der Diskussion forderten, die TMA müsse die "Unternehmerschaft über die Chancen des ESUG aufklären". Die Rahmenbedingungen des ESUG böten Unternehmern die Chance, ein Unternehmen oder Teile des Unternehmens "für sich zu behalten". Dazu bedürfe es frühzeitiger Entscheidungen.
Der Vorsitzender des Präsidiums der TMA, Dr. Frank Nikolaus, verwies einmal mehr darauf, dass das Schutzschirmverfahren widersprüchlich sei: "Die Zahlungen sollen eben nicht eingestellt werden, wenn zwar Altlasten oder Finanzschulden die Bilanz belasten, das operative Geschäft jedoch profitabel ist. Der auch für das Schutzschirmverfahren zunächst nötige Insolvenzantrag wird aber wohl in der Praxis zur sofortigen Zahlungseinstellung führen und den Goodwill des Unternehmens zerstören."
Die TMA Deutschland fordert seit mehreren Jahren einen "echten Schutzschirm, der die Zahlungsfähigkeit differenziert in mehreren Eskalationsstufen definiert und in einem diskreteren als dem herkömmlichen Insolvenzverfahren abläuft". Dies entspreche international üblichen Standards. Ein echtes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ist eine Chance, sich mit Gläubigergruppen zu verständigen und 'Windhundrennen' aller Gläubiger zu verhindern."
Die Turnaround Management Association (TMA) Deutschland
Im Rahmen der Vorgaben der TMA Turnaround Management Association, Chicago (USA), hat sich die Gesellschaft für Restrukturierung - TMA Deutschland e.V. zum Ziel gesetzt, in dem Bereich der Unternehmensrestrukturierung und -sanierung sowie der sanierenden Unternehmensinsolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland unterstützend tätig zu werden und die internationale Zusammenarbeit ihrer derzeit über 200 Mitglieder sowie deren Fortbildung zu fördern.
Weitere Informationen unter www.tma-deutschland.org