Hitze beim Einsatz eines konventionell hergestellten Bohrers verursacht Gewebeschäden
Für das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Entwicklung eines Werkzeuges für die spanende Knochenbearbeitung zur Vermeidung thermisch induzierter Osteonekrose“ (WesKo) hat sich das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover an Toolcraft gewandt. Bei der spanenden Bearbeitung von Knochen kann es aufgrund der entstehenden Hitze zu Gewebeschäden kommen. Diese treten ab einer Temperatur von ca. 48°C auf. Durch Kühlung des Werkzeuges besteht die Gefahr, dass Fluid in die Wunde gelangt. Daher ist der Einsatz von konventionellen Werkzeugen mit Kühlung nicht möglich. So erfolgen Operationen bislang iterativ, d.h. das Bohren wird immer wieder unterbrochen, um die Temperatur möglichst niedrig zu halten.
Metall-Laserschmelzen erobert Operationssaal – durchgängige Kühlung möglich
Durch das Metall-Laserschmelzen ist die Herstellung von Bohrern mit integrierten Kühlkanälen möglich. So kann der Kühlstoff innerhalb des Werkzeuges fließen – entlang der Helix und wieder zurück zur Werkzeugaufnahme – ohne in die Wunde zu gelangen. Zusätzlich zum Aufbau des Bohrers entwickelte Toolcraft einen nicht rotierenden Vorspindelaufsatz mit Zu- und Abflussfunktion für das Kühlmittel. Ein angeschlossenes Kühlmittelreservoir mit Pumpe stellt die kontinuierliche Versorgung sicher. Als Vorlage für den innengekühlten Prototypen diente ein herkömmlicher Knochenbohrer mit einem Durchmesser von 6 mm. Die Geometrie musste erhalten bleiben, um den Umstieg der Anwender zu erleichtern. Zudem ist die medizinische Verträglichkeit des Materials unabdingbar. Ein Vor- und Rücklauf sorgt für einen ständigen Kühlmittelfluss. Die innenliegenden kreisförmigen Kühlkanäle mit einem Durchmesser von 1,2 mm leiten die thermische Energie weg von der Werkzeugschneide. Um die Kühlmittelzu- und -abfuhr zu ermöglichen, wurden Horizontalbohrungen eingebracht, die den Kühlkreislauf mit dem Bohrer verbinden. Zur Fixierung des Verteilers ist ein Einstich für einen Sicherungsring vorhanden. Eine weitere Herausforderung stellte das Abdichten der beiden Kammern im Verteiler dar.
Schicht für Schicht zum Erfolg
Zunächst definierte das Projektteam die Kühlleistung hinsichtlich Durchflussvolumen, Temperatur und Wärmekapazität des Kühlmediums. Danach entwickelten sie eine Methodik zum Einbringen eines geschlossenen Kühlkreislaufs in das Werkzeugsubstrat unter Erhalt der Werkzeugstabilität und der Prozessfähigkeit. Als Material wurde der biokompatible Werkstoff 1.4404 gewählt. Anschließend folgte die Planung der geometrischen Beschaffenheit des Bohrers sowie der innenliegenden Kühlkanäle mittels CAD- und Simulationssoftware. Hierbei war das Unternehmen Schmidt WFT behilflich. Nach der Herstellung des Bohrers im 3D-Druckverfahren und der zerspantechnischen Nachbearbeitung erfolgten die Einsatzuntersuchungen durch das IFW. Unter dem Einsatz von Wasser als Kühlmittel bohrten sie in Kunst- und Rinderknochen bei gleichzeitiger Überwachung der Prozesstemperatur im Knochen. Dabei nahmen sie Referenztemperaturmessungen mit ausgeschalteter und eingeschalteter Werkzeugkühlung sowie größerem und geringerem Vorschub vor.
3D-gedruckter Knochenbohrer verbessert Operationsverfahren
Die Ergebnisse der Bohruntersuchungen zeigen eine signifikante Temperaturreduzierung (um bis zu 70%) mit dem 3D-gedruckten Bohrwerkzeug. Geringe Vorschübe können nicht mehr zu erhöhten Temperaturen führen, da die Innenkühlung die Temperaturentwicklung ausgleicht. Somit beeinflusst die Wahl eines geeigneten Werkzeuges maßgeblich den Erfolg einer Operation am Knochen. Die Problematik der Knochenschädigung durch zu hohe Prozesstemperaturen besteht bei fast allen Knochenbearbeitungsoperationen. Daher könnte die Technologie auch bei der Herstellung von beispielsweise Sägewerkzeugen Anwendung finden.