Die der Thematik übergeordnete SAA bietet den Portfoliomanagern eine langfristige Portfolioausrichtung unter Berücksichtigung der Anlageziele. Die der SAA zugrundeliegenden Modelle benötigen eine fundierte Einschätzung über die Rendite- und Risikokennzahlen für alle relevanten Assetklassen als Eingangsparameter. Um das Portfolio auf zukünftige Marktentwicklungen vorzubereiten, sollten auch die Eingangsparameter der Modelle in ihrem Informationsgehalt zukünftige Erwartungen widerspiegeln. Die Volatilität stellt die am meiste akzeptierte Beschreibung von Risiko und Unsicherheit am Kapitalmarkt dar und ist aufgrund ihrer statistischen Eigenschaften vergleichsweise gut einzuschätzen.
Was ist Volatilität und welche Eigenschaften hat sie über die Zeit?
Die Volatilität ergibt sich aus der Wurzel über die Summe der quadrierten Abweichungen vom langfristigen Mittelwert (Varianz) der beobachteten Kursdaten einer Anlage und wird in der Statistik als Standardabweichung bezeichnet. Damit beschreibt sie die Kursschwankungen in der Historie eines Kursverlaufes. In Abhängigkeit der Anzahl der Kursdaten (n), den Renditedaten (r) und dem Mittelwert (¯r) ergibt sich die Formel zur Berechnung der Volatilität.
Die wohl bekanntesten Eigenschaften der Volatilität von liquiden Anlageklassen sind die „Mean Reversion“ und das „Clustering“. Nach einer Phase der hohen Unsicherheit nähert sie sich immer wieder dem langfristigen Mittelwert an („Mean Reversion“), wobei die Geschwindigkeit der Annäherung variiert. Häufig ist beobachtbar, dass die Volatilität schneller ansteigt als sie wieder abflacht. Außerdem bilden sich unterschiedliche Volatilitätscluster („Clustering“). Das bedeutet, dass auf eine Phase hoher (niedriger) Volatilität meistens ebenso hohe (niedrige) Volatilität folgt. Aufgrund dieser Zusammenhänge ist es auch notwendig historische Information in die Prognosen einzubauen.
Diese drei Eigenschaften sind auch an realen Daten gut erkennbar. In Abbildung 1 ist die annualisierte monatliche Volatilität amerikanischer Aktien seit Januar 2001, der dazugehörige langfristige Mittelwert und die Phasen besonders hoher und niedriger Volatilität dargestellt. Optisch heben sich sofort die Daten während der Spekulationsblase um Internet-Technologien Anfang der 2000er, der globalen Finanzkrise 2008 sowie den Folgen der Pandemie 2020 ab. Nach Phasen relativ geringer Preisschwankungen (grün) stieg die Unsicherheit und damit die Volatilität an den Märkten sprunghaft an und ging in eine Phase höherer Volatilität über (rot). Anschließend nähert sich die Volatilität wieder ihrem langfristigen Mittel von etwa 16% annualisierter Volatilität an.
Abbildung 1: Monatliche Volatilität der US Aktien seit 2002
Welche Möglichkeiten zur Volatilitätsprognose gibt es?
Das Ergebnis einer Berechnung wird zu einer Prognose, wenn die Berechnung auf entsprechenden Annahmen beruht. Dafür bieten sich die oben beschriebenen Charakteristika wie „Mean Reversion“ und „Clustering“ an. So kann beispielsweise der langfristige Mittelwert auch als Erwartung für die Zukunft genommen werden. Der sogenannte „Historical Mean“ bildet dementsprechend sehr gut die Eigenschaft der Mittelwertstationarität ab. Die Eigenschaft der Volatilitätscluster wird am einfachsten von der Methode der zufälligen Werte („Random Walk“) wiedergegeben. Hierbei ist die Prognose für die nächste Periode der Wert der letzten Periode plus ein zufälliger Störterm. Allerdings wird der Erwartungswert des Fehlers oftmals als null angenommen. Damit ist die Vorhersage für den nächsten Monat gleich der Volatilität des Vormonats. Die auch in der Chartanalyse verwendete Methode der gleitenden Durchschnitte („Moving Averages“) stellt eine Kombination beider Vorteile dar. In Abbildung 2 sind die Prognosewerte für ausschließlich einen Monat, sowie die tatsächliche realisierte Volatilität dargestellt.
Auch wenn diese Modelle bereits tendenziell eine gute Einschätzung für die zukünftige Entwicklung der Volatilität darstellen, ist durch die Abweichung zum eigentlichen Wert noch Raum für Faktoren mit weiterem Informationsgehalt erkennbar. Insbesondere dann, wenn die Prognose über mehrere und nicht wie in Abbildung 2 nur für eine Periode gelten soll. Dann liegt der tatsächliche Wert zwischen den strukturellen Eigenschaften des aktuellen Clusters und dem langfristigen Mittelwert. Es bietet sich also eine Erweiterung dieser univariaten Modelle um weitere Variablen auf multivariate Modelle an. Die Idee ist die Information der historischen Volatilitätsdaten zu behalten und durch die Betrachtung von makroökonomischen Faktoren und Unsicherheitsfaktoren zu ergänzen. Ein mögliches Modell das diesen Ansatz verfolgt ist das HAR-RV-X Modell nach Assgharian et al. (2023). Dieser Ansatz ist eine Erweiterung der heterogenen Autoregression der realisierten Volatilität (HAR-RV) um mehrere weitere Faktoren und Indikatoren (X).
Abbildung 2: Vergleich unterschiedlicher einfacher PrognosemodelleWelche Indikatoren eignen sich als Ergänzung?
Oftmals nährt sich eine Phase höherer Volatilität aus einer allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit und Unvorhersagbarkeit. Viele Indikatoren wie zum Beispiel die aktuellen Arbeitslosenquote, Lohnkostenentwicklung, Verbraucherstimmung, Auftragseingänge, so wie viele weitere bieten sich an, um die aktuelle makroökonomische Situation greifbarer zu machen. Um die finanzielle Situation darzustellen, betrachten wir beispielsweise die Steilheit der Zinsstrukturkurve, Aktienbewertungen (Multiples) oder die Margenentwicklung. Als Aggregat (nach Jurado et al. (2013)) aller Indikatoren können diese Unsicherheitsindizes, wie in Abbildung 3 dargestellt, die Entwicklung der Volatilität teilweise vorwegnehmen. Ein ebenso beliebter Indikator ist der Rezessionsindikator des National Bureau of Economic Research (NBER). Entsprechend der Daten des NBER sind die Rezessionsphasen der Wirtschaft in Abbildung 3 hellgrau hinterlegt.
Abbildung 3: Gegenüberstellende Darstellung der Volatilität und ausgewählter Unsicherheitsindizes
Wie kann man historische Volatilitätsdaten mit aktuellen Makroindikatoren verknüpfen?
Im Grunde handelt es sich bei der Familie der HAR Modelle um eine multivariate Regression. Im einfachsten Falle setzt sich der prognostizierte Volatilitätswert aus einer Kombination der vergangenen Werte zusammen. Zum Beispiel nimmt man die durchschnittliche Volatilität des letzten Monats, der letzten drei Monate und des letzten Jahres, greift so bestmöglich die statistischen Eigenschaften der Volatilität ab und berechnet die Vorhersage. In der erweiterten Stufe ergänzt man die unabhängigen Variablen in Form der Durchschnittswerte durch weitere Indikatoren, die man als relevant erachtet. Das können beispielsweise die in Abbildung 3 dargestellten makroökonomischen oder finanziellen Unsicherheitsindizes sein. In den meisten Fällen bringen immer mehr Faktoren nicht immer genauere Ergebnisse, sondern können sogar die Instabilität des Models erhöhen. Des Weiteren müssen die Faktoren auf die beobachtete Anlageklasse angepasst sein. Dementsprechend ein HAR-RV-X Modell nach Assgharian et al. (2023).
Es gilt vor allem die Indikatoren sorgfältig auszuwählen und iterativ das beste Modell für den eigenen Anwendungsfall zu ermitteln.
Wie nutzen wir die Ergebnisse bei Tresides?
Aktuell sind wir an dem Punkt der Optimierung unseres Modells, um die bestmöglichen Potentiale der Volatilitätsprognosen zu schöpfen. Die Ergebnisse fließen in unsere Modelle zur strategischen Asset Allocation und helfen unsere langfristige Portfolioplanung robuster für die Zukunft auszurichten. Dadurch lässt sich der theoretische Spielraum in der Portfoliozusammensetzung, um die Ziele unserer Kunden zu erreichen, noch genauer eingrenzen. Uns ist vor allem wichtig, diese Modelle auch als solche zu interpretieren und die Möglichkeiten durch moderne Methoden und Techniken als Unterstützung für unsere Fondsmanager als auch Kunden zu nutzen.
Sprechen Sie uns gerne bei der Implementierung Ihrer langfristigen Asset Allocation an.