Seit Autohersteller immer leistungsfähigere E-Mobile auf den Markt bringen, gewinnt die Elektromobilität zunehmend an Fahrt. Der Trend hin zu einer CO2-armen Mobilität hat auch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erfasst. Städte setzen auf elektrisch angetriebene Busse, um Schadstoffemissionen und Lärmbelastung zu senken. Die E-Bus-Konferenz vom 21./22. November 2018 in Solingen (Nordrhein-Westfalen) – einer Stadt mit langer Tradition der E-Mobilität im ÖPNV – informiert über innovative Antriebskonzepte und unterstützt Anwender bei ihren Investitionsentscheidungen.
Im September 2018 meldete der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen gestützt auf Zahlen des Statistischen Bundesamts einen neuen Fahrgastrekord im ÖPNV: 5,8 Mrd. Personen nutzten im ersten Halbjahr 2018 Omnibusse, Tram, S- oder U-Bahnen, 0,4 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2017. Mit 54 Mrd. Personenkilometern ist die Transportleistung des Nahverkehrs in Deutschland fast doppelt so hoch wie jene des Fernverkehrs. Mit dem Entscheid der Bundesregierung, die Elektromobilität zur Eindämmung des Klimawandels massiv auszubauen, stehen die städtischen und kommunalen Verkehrsunternehmen vor einer gewaltigen Herausforderung.
Die Elektrifizierung der Mobilität wird heute breit diskutiert. Wohin die Reise gehen kann, zeigt das Beispiel von Prag. Die tschechische Hauptstadt nahm im Oktober 2017 eine moderne Trolleybuslinie in Betrieb, die nur streckenweise mit einer Oberleitung ausgestattet ist. Die Busse beziehen ihre Energie ansonsten aus der mitgeführten Batterie. Mit der neuen Linie feiert der Trolleybus in Prag eine Renaissance: Seit 1936 gab es in der Grossstadt bis zu 14 O-Bus-Linien, bis diese 1972 ihren Betrieb einstellten. Eine ähnliche Entwicklung war in anderen europäischen Staaten zu beobachten: In Deutschland erfreuten sich O-Busse seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in über 70 Städten großer Beliebtheit. In den 1960er Jahren wurde die elektrische Infrastruktur jedoch rückgebaut. Die O-Busse machten dem flexibler einsetzbaren Dieselbus Platz. Heute führen das gewachsene Umweltbewusstsein und die Gefahren des Klimawandels abermals zu einem Umdenken: Der mit CO2-freiem Strom angetriebene Bus ist jetzt wieder ein Zukunftskonzept.
Smarte Systeme erhöhen die Energieeffizienz
Die Vision einer sauberen und effizienten Mobilität beschäftigt städtische Verkehrsunternehmen und Politik ebenso wie Industrie und Wissenschaft. Rund 300 Entscheidungsträger treffen sich am 21./22. November in Solingen zur 6. Internationalen E-Bus-Konferenz. Unter dem Titel 'Sauber, leise Elektrobus' diskutieren sie moderne Strategien und Lösungskonzepte der Elektromobilität für den ÖPNV. Der Konferenzort Solingen bietet für die Fachtagung einen idealen Boden: Die Stadt südwestlich von Wuppertal ist mit 51 Oberleitungsbussen und einem Streckennetz von 57 Kilometern Länge die größte Betreiberin von elektrischen Bussen in Deutschland.
An der E-Bus-Konferenz informieren Hersteller über neueste Entwicklungen bei Fahrzeugtechnik und Ladeinfrastruktur. Im Trend liegen smarte Systeme zur energieeffizienten Steuerung der Traktion, aber auch von Nebenverbrauchern wie Heiz- und Kühlanlagen, die bei extremen Wetterlagen für einen erheblichen Teil des Energieverbrauchs verantwortlich sind. Gefragt ist neben der Industrie auch die Wissenschaft. Ein wichtiger Fokus der Forschung liegt auf Batterien und deren Einbindung ins Gesamtsystem der Elektrobusse. Die Batterie-Expertinnen Prof. Vanessa Wood (ETH Zürich) und Lisbeth Dahlöff (IVL Swedish Institute for Environmental Research/Stockholm) berichten in Solingen gemeinsam mit weiteren Fachpersonen über den Stand der Forschung bei den Lithium-Ionen-Akkumulatoren. Lebenszyklus-Betrachtungen sind ein Thema, ebenso die mit Ladevorgängen einhergehenden Netzbelastungen.
Elektrifizierung als strategisches Ziel
Diesel-, Batterie-, Oberleitungs- und Wasserstoffbusse sind die Basissysteme, die heute in verschiedensten Antriebs- und Systemlösungen zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Teil der Solinger Konferenz dient daher dem Erfahrungsaustausch zwischen Anwendern aus ganz Europa. Die Experten aus Städten wie Berlin, Hamburg und Esslingen tauschen sich gemeinsam mit Kollegen aus Tschechien, Österreich, Schweden und der Schweiz über Best-Practice-Beispiele aus. Die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) etwa setzen auf eine konsequente Elektrifizierung ihrer Busflotte. Die Trolleybusse der neusten Generation nutzen Batterien statt Dieselhilfsmotoren, um Situationen mit fehlender Stromversorgung aus der Oberleitung zu meistern.
Zürich hat eine stark wachsende Agglomeration. Zur Erschließung setzen die VBZ auf neue Busstrecken, die nur teilweise mit Oberleitungen ausgerüstet werden. Wo keine Leitung vorhanden ist, bezieht der Bus die Energie aus der Batterie. Die Reichweite des Lithium-Ionen-Akkumulators (60 kWh) beträgt mindestens zehn Kilometer. Dank Leichtbauweise wurde das Gewicht der Gelenkbusse stark reduziert. Sie verfügen trotz der Batterie über eine höhere Nutzlast (163 Personen). Ab- und Andrahten erledigt der Fahrer per Knopfdruck. Ein im Frühjahr 2017 gestarteter Pilotversuch hat die VBZ-Verantwortlichen überzeugt, den teil-fahrleitungslosen Betrieb auf mehreren Linien dauerhaft einzuführen. Das Schweizer Bundesamt für Energie führt das Projekt als Leuchtturm für nachhaltige Energienutzung.
Elektrobusse im Systemvergleich
Für den Ersatz fossiler Antriebe im ÖPNV gibt es kein Patentrezept. Zu verschieden sind die historischen, städtebaulichen und technischen Voraussetzungen in Städten und Kommunen. Diese müssen vor einer Entscheidung evaluieren, welches Mobilitätssystem den lokalen Transportbedürfnissen und Rahmenbedingungen am besten entspricht. Eine Hilfestellung in technischer Hinsicht leistet das von der TU Dresden verfasste Weißbuch „Stand und Entwicklungstendenzen bei elektrisch betriebenen Linienbussen“. Ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan vom Institut für Bahnfahrzeuge und Bahntechnik stellt darin die aktuellen Technologien und Einsatzoptionen für elektrische Linienbusse nach wissenschaftlichen Kriterien dar.
„Durch den ökonomischen, aber auch ökologischen Druck von Politik und Gesellschaft werden rein elektrisch angetriebene Busse heute zunehmend wieder als Alternative zum Dieselbus gesehen“, schreiben die Autoren. „Dabei sind intelligente Lösungsansätze gefragt, die die Vorteile der klassischen O-Bus-Technologie und die positiven Systemeigenschaften des Dieselbusses in sich vereinen.“ Das Weißbuch wägt unter anderem die Vor- und Nachteile verschiedener Stromversorgungssysteme (Oberleitungen, Batterien, Brennstoffzellen) ab. Die letzten Jahre haben eine Vielfalt von Systemen hervorgebracht, die die Energieversorgung aus der Oberleitung mit einem unterstützenden Batteriespeicher und intelligenten Ladekonzepten kombinieren. Lithium-Ionen-Akkumulatoren bieten gemäß der Studie für den Betrieb mobiler Anwendungen das größte Einsatzpotential.
Innovationen bringen Elektromobilität voran
Zu den Fallbeispielen, die das Weißbuch exemplarisch ausführt, gehören die TOSA-Busse der Stadt Genf. Die mit einem Lithium-Titanat-Akkumulator (38 kWh) ausgestatteten 18-Meter-Gelenkbusse werden an den Haltestellen mit einer speziellen Vorrichtung nachgeladen, während die Fahrgäste ein- und aussteigen. Nach einem erfolgreichen Test setzen die Genfer Verkehrsbetriebe TPG die Schnellladebusse seit 2017 auf einer Linie zwischen Flughafen Genf und dem Vorort Carouge ein. Neben Genf hat sich auch die französische Stadt Nantes für das neuartige Ladesystem entschieden.
TOSA führt vor Augen: Der Elektrobus ist im Begriff, sich mittels innovativer Konzepte neu zu erfinden. Das Weißbuch der TU Dresden beschreibt auch die Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlich sinnvollen Einsatz von Elektrobussen. Dazu gehören kurze bis mittlere Streckenlängen, ein dichter Fahrplantakt, eine beschränkte Zahl von Fahrzeugen, die aber viele Betriebsstunden leisten. Das Weißbuch entstand im Auftrag des Vereins trolley:motion. Dipl.-Ing. ETH Daniel Steiner, Präsident von trolley:motion, ist überzeugt, dass der E-Bus in seinen verschiedenen Ausprägungen einen zentralen Beitrag zur Ökologisierung des städtischen Personenverkehrs leisten wird: „Die Verantwortlichen und Städten und Kommunen müssen die verfügbaren Traktionssysteme vorurteilslos vergleichen und das zweckdienlichste System auswählen. Praxisnahe Projekte wie Trolley 2.0, an dem gegenwärtig neun Partner aus fünf europäischen Ländern mitwirken, stellen den Entscheidungsträgern wertvolle Erfahrungen mit smarten Trolleybusnetzen bereit. Wir müssen das gewonnene Knowhow konsequent nutzen, damit dank der Elektromobilität ein nachhaltiger ÖPNV Realität wird.“
Link Konferenz: https://www.trolleymotion.eu/konferenz-2018/