Anteil fossiler Brennstoffe auch in 20 Jahren noch bei 75 Prozent
Global wird diese These unter anderem vom „Energy Outlook 2014“ von BP bestätigt. Die Experten des Öl-Unternehmens erwarten für Kohle als Primärenergieträger für die Stromerzeugung zwar sinkende Marktanteile, doch auch im Jahr 2035 liegen diese noch immer bei 37 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 waren es mit 43 Prozent kaum mehr. Die Internationale Energieagentur (IEA – International Energy Agency) prognostiziert für das Jahr 2035 noch immer einen Anteil der fossilen Brennstoffe am Gesamtenergieverbrauch von 75 Prozent.
In Deutschland geht die Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien deutlich schneller vonstatten, doch einige Probleme lassen sich weder mit Solarenergie noch mit Windkraft unmittelbar lösen. Für eine lückenlose Versorgung sind konventionelle Kraftwerke notwendig, denn schließlich soll der Strom auch bei Flaute oder wolkenverhangenem Himmel beziehungsweise nachts fließen. Moderne Kohle- und Gaskraftwerke können diese Versorgungslücke schließen und gleichzeitig flexibel an den Strombedarf angepasst werden, denn sie können zügig auf unter 30 Prozent ihrer maximalen Leistung heruntergefahren werden. Ältere Kohlekraftwerke sind dagegen so konzipiert, dass sie möglichst gleichbleibend bei hoher Leistung befeuert werden. Die Betriebszeiten in dieser so genannten Grundlastbetriebsweise werden aber immer kürzer. „Die Flexibilisierung dieser Anlagen wird künftig also immer wichtiger, um einen wirtschaftlichen Betrieb überhaupt zu ermöglichen“, meint Kuckartz.
Immer wichtiger für die Wirtschaftlichkeit der Stromproduktion aus konventionellen Kraftwerken wird der Wirkungsgrad der Anlagen, also die Effizienz bei der Umwandlung von Energie. In diesem Bereich haben konventionelle Kraftwerke enorm aufgeholt. Lag der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken früher noch bei unter 30 Prozent, erreichen moderne Braunkohle-Kraftwerksneubauten wie der des Energieriesen RWE in Neurath bei Köln 43 Prozent. „Davon konnte man vor einigen Jahren nur träumen“, sagt Bruno Kuckartz.
Noch besser schneiden bei der möglichst effizienten Nutzung des Primärenergieträgers moderne Gaskraftwerke, sogenannte Gas-und-Dampfturbinen-Anlagen, ab. Sie erzielen im Mittel einen Wirkungsgrad von 55 Prozent, und der neue Weltrekord soll laut Hersteller Siemens mit 61 Prozent im zurzeit im Bau befindlichen Kraftwerk der Stadtwerke Düsseldorf am Standort Lausward im Düsseldorfer Hafen erreicht werden. Diese moderne Kraftwerkstechnik mit der Kombination aus Gas- und Dampfturbinen sollte daher trotz der höheren Brennstoffkosten im Vergleich zu Kohle- oder Kernenergiestrom vor einem goldenen Zeitalter stehen, dank ihrer Flexibilität bei der Einspeisung ins Stromnetz und der hohen Wirkungsgrade. „Leider sind die Bedingungen am Strommarkt in Deutschland zurzeit so, dass diese neuen Anlagen trotzdem meist nicht wirtschaftlich betrieben werden können“, sagt Bruno Kuckartz.
T24 und Alloy 617 schrauben den Wirkungsgrad nach oben
Möglich wird der Entwicklungssprung in der Effizienz von Kohlekraftwerken nicht zuletzt durch den Einsatz innovativer Werkstoffe. Zwei Beispiele dafür heißen T24 und Alloy 617. Die Metalllegierung T24 mit Titan und Vanadium ist speziell auf hohe Drücke und maximale Temperaturen in modernen Braun- und Steinkohlekraftwerken ausgelegt. In den ersten Kraftwerken, wie beispielsweise im deutschen Braunkohlekraftwerk Neurath, wurde nach anfänglichen Problemen an Schweißnähten der Werkstoff T24 mit Unterstützung der Experten von TÜV Rheinland erstmals erfolgreich eingesetzt. „Ohne neue Werkstoffe lassen sich die Effizienzziele der Zukunft nicht erreichen“, erklärt Dr. Ansgar Kranz. Der Leiter der Werkstoffprüfung von TÜV Rheinland ist deshalb überzeugt, dass nur die Kooperation aus Forschung, Unternehmen und Prüforganisationen künftig das Risiko beim Einsatz neuer Materialien in der Praxis minimiert.
Aus diesem Grund forscht TÜV Rheinland mit Industriepartnern und der RWTH Aachen an den Eigenschaften von Alloy 617. Der neue Nickel-Werkstoff verspricht eine thermische Stabilität bis zu 700 Grad beispielsweise in Dampfkesseln, Rohren und Zuleitungen. Seine Einsatzmöglichkeiten muss Alloy 617 in komplexen Testverfahren stets neu beweisen. Dabei geht Dr. Ansgar Kranz mit seinen Kollegen mit dem „Rohr-Simulations-Experiment-Alloy-617“ neue Wege: Statt kleine Proben des Werkstoffs Extrembedingungen auszusetzen, schaffen sie möglichst praxisnahe Bedingungen und führen Alloy 617 an seine Belastungsgrenzen – bis hin zum Versagen der Bauteile. „Aus diesen bewusst herbeigeführten Schäden lassen sich wichtige Erkenntnisse für den späteren Betrieb ableiten“, meint der TÜV Rheinland-Experte.
Für TÜV Rheinland ist die Werkstoffprüfung jedoch nur ein Betätigungsfeld im Bereich der Kraftwerke. Zusammen mit den Energieunternehmen ist der Technologieführer auch für den sicheren Betrieb der Anlagen verantwortlich. Die Herausforderung bei den technischen Prüfungen: Ein Abschalten der Anlagen ist entweder extrem kostspielig oder oft auch gar nicht möglich. Deshalb setzt TÜV Rheinland hier zunehmend auf Monitoring im laufenden Betrieb. Mit modernster Zustandsüberwachung und dem Einsatz spezieller Software lassen sich überflüssige Routineprüfungen und kostspielige Stillstände einer Anlage vermeiden.