Mit TÜVTURK hat TÜV SÜD nicht nur die größte Einzelinvestition in der Konzerngeschichte realisiert, sondern auch einen der größten Meilensteine seiner Internationalisierungsstrategie erreicht. "TÜV SÜD will schon bald ein Drittel des Konzernumsatzes im Ausland erwirtschaften - das TÜVTURK-Projekt spielt bei der Internationalisierung eine bedeutende Rolle", sagt Dr.-Ing. Axel Stepken, Vorstandsvorsitzender der TÜV SÜD AG. Das TÜVTURK-Konsortium, paritätisch bestehend aus TÜV SÜD, dem türkischen Mischkonzern Dogus Grubu und dem Infrastrukturspezialisten AKFEN, rechnet mit Umsätzen in Höhe von elf Milliarden Euro über die 20-jährige Vertragslaufzeit. Die Gewinnschwelle soll bereits in den nächsten Jahren erreicht werden. Investiert hat TÜVTURK 633 Millionen Euro. Von dieser Summe flossen 409 Millionen Euro in den Erwerb der Konzession für die Fahrzeuginspektionen. Die restlichen 224 Millionen Euro entfielen auf den Aufbau von Service-Centern sowie die Rekrutierung und Ausbildung von administrativ und technisch tätigem Personal.
Erfahrung sichert Zuschlag
Rückblick zum Beginn des Projektes: Im Jahr 2004 beschloss die Türkei, die periodische Fahrzeuguntersuchung zu privatisieren. Die damalige Regierung wollte sich in Sachen Verkehrssicherheit und Umweltschutz europäischen Standards annähern. Dazu wurde die Konzessionsvergabe international ausgeschrieben. Das Konsortium TÜVTURK setzte sich im Dezember 2004 gegen elf potenzielle Mitbewerber durch. "Für TÜV SÜD sprachen die sicherheitstechnische Expertise, der hohe Qualitätsstandard und die Reputation in einem Land, in dem wir lange Erfahrung besitzen", untermauert Stepken die Vergabeentscheidung der türkischen Regierung. Bereits 1986 hat TÜV SÜD sein Auslandsengagement in der Türkei begonnen und ist mit allen drei Geschäftsfeldern - INDUSTRIE, MENSCH und MOBILITÄT - vertreten.
Für TÜVTURK bedeutend: Seit über 100 Jahren steht der Mobilitätsspezialist TÜV SÜD in Deutschland für Fahrzeuginspektionen. TÜV SÜD führt in 340 Service-Centern fünf Millionen Hauptuntersuchungen pro Jahr durch.
189 Stationen mit 459 Prüfbahnen und 81 mobilen Einheiten landesweit
Nach dem Zuschlag der Regierung folgte aber nicht der Aufbau der landesweiten Fahrzeugüberwachung, sondern erst einmal die Konfrontation mit den Gerichten: Die türkische Ingenieurkammer hatte aus formalen Gründen gegen die Privatisierung geklagt. Was folgte, war ein anderthalb Jahre dauernder Gerichtsmarathon. Im Juli 2007 genehmigte der türkische Oberverwaltungsgerichtshof die Durchführung der regelmäßigen Fahrzeugprüfungen durch TÜVTURK - die Aufbauphase konnte beginnen. "Vielen schien es damals unmöglich, diese Ziele zu erreichen. Wir haben aber immer daran geglaubt, den ambitionierten Zeitplan halten zu können", sagt Dr. Thomas Aubel, Mitglied der Geschäftsführung der TÜV SÜD Auto Service GmbH und COO von TÜVTURK. Bereits ein halbes Jahr nach Vertragsunterzeichnung mit der Privatisierungsbehörde erhielt das erste türkische Fahrzeug eine Prüfplakette - Ende 2008 waren bereits 183 Prüfstationen in Betrieb und nahezu zwei Millionen Fahrzeuge untersucht. Die 81 mobilen Einheiten versorgen vor allem dünn besiedelte Regionen. Für 2009, dem ersten vollen Geschäftsjahr, rechnet TÜVTURK mit 4,8 Millionen Kfz-Hauptuntersuchungen.
Erste Mängelstatistik
Dass die türkische Regierung richtig mit ihrer Forderung lag, das alte, maximal aus Sichtprüfung bestehende System durch periodische Fahrzeuguntersuchungen nach europäischem Standard zu ersetzen, bestätigen schon jetzt die Zahlen: Bei den inzwischen über 1,7 Millionen bei TÜVTURK geprüften Fahrzeugen werden die Unterschiede zum Sicherheitsstandard auf deutschen Straßen sichtbar. Insgesamt fielen 37,2 Prozent der untersuchten Autos im ersten Anlauf durch. Festgestellter Hauptmangel in der Türkei ist mit 76,8 Prozent die Beleuchtung, gefolgt von Unstimmigkeiten in den Fahrzeugpapieren (39,3 Prozent) und Defekten in der Auspuffanlage. Ein besonders hohes Sicherheitsrisiko liegt im Kapitel Bremsen verborgen: Bei 18 Prozent der geprüften Fahrzeuge wurden hier Mängel festgestellt. Zum Vergleich: In Deutschland mussten im vergangenen Jahr rund fünf Prozent wegen Mängeln an den Bremsen in die Werkstatt, 4,8 Prozent waren mit Mängeln an der Auspuffanlage auffällig geworden. Unstimmigkeiten bei den Papieren tauchen in der deutschen Statistik nicht auf. Türken und Deutschen gemeinsam: Sie sehen es mit der Helligkeit nicht so eng. Spitzenreiter bei den Mängeln auch in Deutschland 2008: die Beleuchtung - Quote: 23,6 Prozent. "Da im ersten Jahr der Untersuchung hauptsächlich Inhaber von neueren Fahrzeugen zur Hauptuntersuchung kamen, rechnen wir damit, dass die Mängelquote in den kommenden Monaten noch stark ansteigen wird", erläutert Dr. Thomas Aubel, Projektleiter TÜVTURK, und betont: "Die Zahl defekter Fahrzeuge bei der Erstuntersuchung und die deutliche Reduzierung bei der Nachprüfung zeigt: Zusammen mit unseren türkischen Partnern können wir einen echten Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit leisten."
Betrieb im Franchising-System - mit Ausnahmen
Betrieben werden die Stationen im Franchising-System: TÜVTURK stellt die Service-Center samt technischer Ausrüstung, ausgebildetem Personal, IT- und Qualitätsmanagementsystem zur Sicherung gleich bleibend hoher Standards. Die Franchisepartner stellen die Grundstücke und führen den lokalen Betrieb. Qualitätssicherung wird dabei groß geschrieben: Jede der fünf Regionen in der Türkei hat einen hauptberuflichen Qualitätsmanager. Das ausgefeilte IT-System mit automatisierter Datenübertragung gewährleistet den überwachbaren Inspektionsablauf in jeder Station. Verdeckte Tests garantieren Service-Qualität und sachliche Neutralität der Prüfer.
Ausnahme: In besonders wachstumsstarken Gebieten, wie etwa in der viertgrößten türkischen Provinz Bursa, hat TÜV SÜD die gesamte Organisation übernommen und führt den Betrieb selbst. Zusätzliche Investition: rund 28 Millionen Euro. "Wir finden hier in Bursa hervorragende wirtschaftliche Bedingungen vor", begründet Aubel, der zukünftig für alle internationalen Aktivitäten von TÜV SÜD Auto Service verantwortlich sein wird. "In der 2,5-Millionen-Einwohner-Provinz sind fast alle namhaften Automobilhersteller vertreten. Außerdem hat Bursa mit 890.000 zugelassenen Fahrzeugen die höchste Zulassungszahl pro Jahr in der Türkei", erklärt Aubel weiter. Diese Voraussetzungen haben TÜV SÜD bereits 2006 dazu bewegt, in dem Distrikt am Bosporus einen Sonderweg zu gehen und die sieben Service-Center im Namen von TÜVTURK selbst zu übernehmen. Täglich 1000 Kraftfahrzeuge werden in Bursa seit November vergangenen Jahres geprüft.
Mehr als 2200 neue Mitarbeiter ausgebildet
Mit Abschluss des Projekts hat TÜV SÜD mehr als 2200 neue Arbeitsplätze in der Türkei geschaffen. Die Führungskräfte sowie die Prüfer haben alle eine spezielle Ausbildung durchlaufen, die in Zusammenarbeit mit der TÜV SÜD Akademie entwickelt wurde. Inhalte waren unter anderem Fahrzeugtechnik und das türkische sowie das europäische Straßenverkehrsrecht. Wichtiges Thema auch: der Kundenservice. Im Rahmen von zwei Train-The-Trainer-Seminaren in Deutschland erhielten die Teilnehmer einen Einblick in den Arbeitsalltag von Service-Centern. Die mehrere Wochen dauernde Schulung endet mit dem Zertifikat als "Car Inspector". "Damit haben wir in 18 Monaten Projektlaufzeit in einem kulturell und wirtschaftspolitisch unglaublich vielschichtigen Land ein Netzwerk von fast 200 Stationen aufgebaut und 2200 Mitarbeiter rekrutiert und ausgebildet - das dürfte in unserer Branche weltweit einmalig sein", konstatiert Aubel. In den kommenden Jahren werden weitere 2000 Arbeitsplätze hinzukommen. Die Gesamtmitarbeiterzahl liegt dann bei über 4000.
Weitere Informationen und Fotos finden Sie zum Download unter www.tuev-sued-de/tuevturk