Der TÜV SÜD-Chef machte bei einem Pressegespräch am Freitag auf der AMI in Leipzig deutlich, dass das Thema Umweltschutz jeden fordert: vom Industriebetrieb bis zum Autofahrer, vom Privathaushalt bis zum Autohersteller. "Die umweltfreundlichste und günstigste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen." Mit diesem Satz bringt Dr.-Ing. Peter Hupfer zum einen auf den Punkt, dass noch viel Einsparpotenzial brach liegt. Das Spektrum reicht vom verbrauchsärmeren Auto bis hin zum Passivhaus. Zum anderen betont er die Tatsache, dass Lebensqualität und Umweltschutz nach wie vor häufig in Konkurrenz stehen. "Mobilität wird heutzutage als Grundbedürfnis betrachtet. Und große Länder wie China oder Indien haben einen Nachholbedarf an Autos, der ihnen auch zusteht", so der TÜV SÜD-Chef. Bis 2020 wird weltweit mit einer Verdoppelung der Fahrzeuge gerechnet - auf rund 1,5 Milliarden. Auch deshalb sei die Ingenieurskunst besonders gefordert. "Wir brauchen verbrauchsärmere Autos, wir brauchen intelligentere Verkehrsführung - und nicht zu kurz gedachte Ge- und Verbote wie Tempolimit oder unrealistische CO2-Grenzen."
TÜV SÜD-Umfrage: Ein Viertel der Autofahrer denkt über Hybrid oder Erdgas nach
Dass bei der CO2-sparsamen Weiterentwicklung der Fahrzeuge insbesondere finanzierbare Lösungen gefragt sind, unterstreicht eine aktuelle Umfrage an TÜV SÜD Service-Centern in Sachsen:
Von 1960 befragten Autofahren gaben 1649 Teilnehmer an, dass sie sich um den Umweltschutz sorgen. Aber lediglich 1044 Personen wären nach der nicht repräsentativen Umfrage bereit, mehr Geld auszugeben, um Umweltschutz und Mobilität besser zu vereinen. 35 Prozent würden keine höheren Kosten für ein umweltschonenderes Auto akzeptieren. Für ein gutes Viertel der Befragten kommt bei der Neuanschaffung eines Wagens ein Modell mit Erdgas- oder Hybridantrieb in Frage.
Vorfahrt für Veränderung. "Das Umfrageergebnis zeigt deutlich, dass der Markt kostenneutrale umweltfreundliche Lösungen fordert. Da ist die Autoindustrie weiter gefragt. Klar ist aber auch: Umweltschutz zum Nulltarif kann es nicht geben", so der TÜV SÜD-Chef. Er warnt zugleich davor, die Diskussion um die CO2-Belastung auf den Verkehrsbereich zu beschränken und die Autohersteller als allein Schuldige abzustempeln. Der Autoverkehr habe an den Emissionen in Deutschland einen Anteil von lediglich zwölf Prozent. Außerdem: "Die Vermeidung einer Tonne CO2 kostet im Autobereich 50mal so viel wie die Vermeidung einer Tonne CO2 durch Wärmedämmung eines Gebäudes", merkt Hupfer an.
Parallel fahren: CO2-Emissionen vermeiden, verringern und ausgleichen
Um der Veränderung Vorfahrt zu verschaffen, ist laut Dr. Hupfer in allen Bereichen ein Dreisatz notwendig aus: Emissionen verringern; Emissionen vermeiden; Emissionen ausgleichen. "Einen Königsweg gibt es nicht. Gerade wenn es um die Verringerung von Emissionen geht, sind Ingenieurskunst und technische Lösungen gefragt", so Dr. Hupfer.
Was die CO2-Vermeidung im Verkehrsbereich anbelangt, setzt TÜV SÜD-Chef Hupfer zudem große Hoffnungen in den verstärkten Einsatz der Satellitennavigation und in das künftige Satellitennavi- gationssystem GALILEO. "Wir stehen mit unseren Autos immer noch zu häufig im Stau - da wird intelligente Verkehrslenkung mit Hilfe von Satellitennavigation viel bewirken können", merkt Hupfer an. Diese technischen Lösungen hätten größere Effekte als kurzfristige und kurzsichtige Verbote - wie zum Beispiel ein Tempolimit oder unrealistische Obergrenzen für den CO2-Ausstoß. "Einzelne Green Cars können den richtigen Weg weisen. Was folgen muss, sind finanzierbare Lösungen, die einen Effekt auf die Masse der Autos bewirken", so der Vorstandschef.
Lange Liste der technischen Hebel
Potenzial stecke sowohl in der Weiterentwicklung der Fahrzeuge wie auch in alternativen Antriebssystemen und -stoffen. Die Liste der technischen Hebel sei lang: Start-Stopp-Automatik, Rückgewinnung von Bremsenergie, Verkleinerung des Hubraums (Downsizing), automatische Reifendruckkontrolle, intelligente Motorsteuerung basierend auf den aktuellen Standortdaten des Fahrzeuges, Optimierung der Aerodynamik durch Formgebung oder Unterbodenverkleidung, Hybrid oder Erdgas und, und, und. TÜV SÜD engagiert sich zum Beispiel auch beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Man dürfe auch, so Hupfer, die bereits erzielten Erfolge im Verkehrsbereich nicht außer Acht lassen: Zwischen 1999 und 2005 sanken die CO2-Emissionen im Verkehrssektor um zwölf Prozent, das sind 23 Millionen Tonnen.
Das Sofortprogramm: Ökonomischer fahren
Womit jeder Autofahrer sofort beginnen kann: ökonomischer fahren und damit bis zu 20 Prozent Sprit einsparen. Damit wirtschaftliche Fahrweise eben nachhaltig gelernt wird, bietet die TÜV SÜD-Tochter FleetCompany für Fuhrparks die Dienstleistung "Green Fleet" an. Eine Kombination aus Fahrerschulungen, Reporting- und Prämiensystem macht für ein Unternehmen eine Kraftstoffersparnis von mehr als zehn Prozent möglich. Stichwort Kraftstoffverbrauch: Was Diskussionen um eine CO2-Komponente in der Kfz-Steuer anbelangt, bringt Dr. Hupfer den Vorschlag ins Spiel, den absoluten CO2-Ausstoß zu belasten - über eine höhere Besteuerung des Kraftstoffs auf europäischer Ebene. "Fixkosten für einen stehenden Wagen runter. Verbrauchskosten rauf. Und das letztlich kostenneutral für den Autofahrer", so Hupfer. "Wer dann Fahrten einspart, spart zusätzlich Geld." So lasse sich womöglich ein noch größerer Effekt erzielen als über eine CO2-Komponente bei der Kfz-Besteuerung.
Alternative Energien: Ein Anteil von 20 Prozent ist machbar
Emissionen vermeiden, Emissionen verringern: Ein stark zunehmendes Interesse an alternativen Energien beobachtet die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH, an der TÜV SÜD zu 47 Prozent beteiligt ist, auch auf Seiten der Industrie. "Vor allem energieintensive Branchen werden von der Sorge über zukünftige Engpässe bei der Versorgung mit Erdöl und Erdgas getrieben", stellt Ludwig Schindler fest, Geschäftsführer von Ludwig-Bölkow-Systemtechnik. Die LBST-Experten unterstützen Industrie, Politik und Nicht-Regierungsorganisationen bei Fragen der nachhaltigen Energieerzeugung und Energienutzung. Schindler: "Aufgrund unserer Erkenntnisse halten wir den Ausbau von alternativen Energien auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 durchaus für machbar." Die Voraussetzung dafür seien allerdings entsprechende Vorgaben auf europäischer und nationaler Ebene. Von der nationalen und europäischen zur internationalen Ebene. Als kreatives Instrument, die CO2-Belastung weltweit zu verringern, stellte Dr. Hupfer den Handel mit Emissionszertifikaten heraus. Die Kyoto-Mechanismen belohnen Klimaschutzprojekte mit hohem CO2-Einspareffekt. TÜV SÜD validiert entsprechende Projekte, hat in den vergangenen sechs Jahren über 400 Projekte bearbeitet, über 100 davon sind inzwischen bei den Vereinten Nationen registriert.
Vom einzelnen Autofahrer bis zum Firmenfuhrpark und vom Autohersteller bis zum Kraftwerk: "Damit wir der Veränderung Vorfahrt einräumen, müssen alle mit anpacken - beim Emissionen vermeiden, Emissionen verringern und Emissionen ausgleichen."