Die Straßen werden immer voller, aber die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland sank im Jahr 2006 auf einen historischen Tiefststand. Die Bemühungen der Automobilhersteller, Fahrzeuginsassen durch passive Sicherheitssysteme besser zu schützen, zeigen Wirkung. Doch noch immer sterben in Deutschland im Durchschnitt täglich 14 Menschen im Straßenverkehr. Ansporn also für die Autokonstrukteure weltweit, die Fahrzeuge für alle Verkehrsteilnehmer noch sicherer zu gestalten. Und auch die Politik treibt Aktivitäten dazu voran: Bis 2010 will die EU-Kommission die Zahl der Verkehrstoten gegenüber 2001 halbieren. Die größte Einzelgruppe unter den Todesopfern sind die Pkw-Insassen, wobei die Mehrzahl der Verkehrsopfer auf Landstraßen zu beklagen ist.
Aktive und passive Sicherheitssysteme intelligent vernetzen
Mit welchen Maßnahmen lassen sich also weitere Fortschritte in Sachen Sicherheit im Straßenverkehr erzielen? Dieses Thema steht im Fokus des Kongresses „crash.tech 2007“ von TÜV SÜD Automotive am 17. und 18. April in Leipzig. Experten aus der Automobilindustrie präsentieren aktuelle Ergebnisse aus ihren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und zeigen beispielsweise die intelligente Vernetzung von aktiver und passiver Sicherheit. Zahlreiche Analysen von Unfallverläufen haben ergeben, dass sich rund 60 Prozent aller Auffahrunfälle und fast ein Drittel der Frontalzusammenstöße vermeiden ließen, wenn der Fahrer nur eine halbe Sekunde früher reagieren könnte. Das würde eine enorme Steigerung der Sicherheit bedeuten, denn der Hauptanteil tödlicher Autounfälle entsteht durch frontalen Aufprall. Die rechtzeitige Vorwarnung des Fahrers könnte also helfen, den Straßenverkehr noch sicherer zu machen. Bei rund zwei Drittel aller Pkw-Kollisionen können vor dem Aufprall sogar mehrere Sekunden vergehen, in denen klar ist, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Unfall kommt. Es gibt also wertvolle Zeit, die zur Interaktion zwischen Insassen und Fahrzeug genutzt werden kann. Dr. Rodolfo Schöneburg, DaimlerChrysler AG, zeigt beispielsweise, welche Auswirkungen präventive Schutzsysteme auf die Unfallfolgen haben und welches Potenzial zur Verbesserung der passiven Sicherheit eine intelligente Sensorik besitzt.
Wichtiger Ausgangspunkt für die Vernetzung von aktiven und passiven Schutzsystemen sind Systeme und Komponenten, die oftmals bereits im Fahrzeug vorhanden sind. Wie sich beispielsweise die Daten der Fahrzeugdynamik aus dem ESP-Systeme für Schutzsysteme nutzen lassen, stellt Dr. Michael Fausten von der Robert Bosch GmbH vor.
Individuelle Sicherheitssysteme retten Menschenleben
Autohersteller denken auch daran, die Sicherheit im Fahrzeug weiter zu individualisieren: „So wie man beim Skifahren die Sicherheitsbindung individuell auf eine bestimmte Auslöselast einstellt, so könnten auch in Zukunft die Sicherheitssysteme im Auto verstärkt an die einzelnen Insassen angepasst werden“, erklärt Dr. Lothar Wech von TÜV SÜD Automotive GmbH, Tagungsleiter der „crash.tech 2007“. Das könnte die Zahl der Verkehrstoten weiter reduzieren. Reversible Gurtstraffer sorgen schon heute dafür, dass sich die Insassen bei einem Unfall nicht in einer ungünstigen Lage oder zu nah am Airbag befinden. „Der Sitz ist zum Beispiel ein wichtiges Element in neuartigen Fahrerschutz-Systemen. Mit intelligenter Sensorik ausgestattet, könnte er sehr viele Funktionen übernehmen“, so Wech. Welche Möglichkeiten genau in solchen Systemen stecken, davon können sich die Teilnehmer der „crash.tech 2007“ in einer Praxis-Demonstration überzeugen: Vorgestellt wird eine neuartige Sensortechnologie zur Sitzplatzbelegung.
Fußgängerschutz im Fokus der Europäischen Union
Neben allen Aktivitäten der Autoindustrie, Fahrer und Insassen besser zu schützen, kümmern sich die Konstrukteure auch um einen besseren Schutz für die schwächsten Verkehrsteilnehmer: die Fußgänger. Schwere Verletzungen können entstehen, wenn sich die Motorhaube beim Kopfaufprall verformt und der Kopf auf den darunter liegenden harten Motorblock trifft. Neben dem Kopf sind vor allem auch die Beine gefährdet. Seit Oktober 2005 existiert eine EU-Richtlinie zum besseren Fußgängerschutz. Ab September 2010 soll diese erweitert werden und Neuwagen schärferen Prüfungsvorschriften unterwerfen. Die Anforderungen an die Fußgängerschutz-Konstruktion müssen auch auf die unterschiedlichen Körpergrößen angepasst werden: Denn ob ein Kind gegen das Fahrzeug prallt oder ein Erwachsener, macht einen großen Unterschied. Eine weltweite Harmonisierung der Prüfanforderungen zum
Fußgängerschutz muss also alle diese Aspekte berücksichtigen. Dipl.-Ing. Oliver Zander von der Bundesanstalt für Straßenwesen präsentiert die aktuelle Entwicklung der Prüfverfahren im Fußgängerschutz und zeigt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der derzeitigen Gesetzgebung weltweit bestehen.
Weltweite Standards für Testverfahren
Mit dem Thema Harmonisierung der Testverfahren beschäftigt sich auch ein weiterer Vortrag in Leipzig. Denn alle Forschungs- und Entwicklungsbemühungen für bessere Schutz- und Fahrerassistenzsysteme sind nur dann erfolgreich in die Praxis umzusetzen, wenn auch die verschiedenen Testverfahren untereinander kompatibel sind. Dr.-Ing. Thomas Schwarz aus der Abteilung Forschung und Entwicklung Pkw-Sicherheit-Crash der Volkswagen AG stellt dazu Konzepte zur Verbesserung der Kompatibilität bei frontalen Pkw-Kollisionen vor. Ausgehend von umfangreichen Unfallanalysen bewertet er Chancen und Risiken verschiedener Testverfahren.
Weitere Informationen gibt es unter www.tuev-sued.de/automotive