Optimierung ist ein Wort, das oft fällt auf dieser Konferenz, der International Conference on Architecture of Computing Systems (ARCS 2022), die erstmals am neuen Standort der Technischen Universität München (TUM) München am Campus Heilbronn stattfindet. Die Architektur von Computersystemen meint zwar in erster Linie die Hardware, doch die Konferenz zeigt, wie viel Überschneidung es braucht zwischen Forschenden im Bereich der Hardware und der Software – und auch der Austausch mit künftigen Anwenderinnen und Anwendern wie Entwicklerinnen und Programmierern ist wichtig.
„Alle Menschen in diesem Raum machen Computersysteme schneller und effizienter“, sagt Nikela Papadopoulou. Sie ist die diesjährige Programmchefin und hat mit ihrem Team aus etwa 35 Einreichungen in einem aufwendigen Begutachtungsprozess (in dem also Fachkollegen die jeweiligen Einreichungen überprüften), ungefähr die Hälfte für die Konferenz ausgewählt. Viele kreisten rund um das Thema Energieeffizienz: „Das ist eines der großen Themen.“ Sie selbst sei immer fasziniert vom Höchstleistungsrechnen gewesen: „Ich fand das schon als Jugendliche beeindruckend, dass man einen Computer aus tausenden Teilen zusammensetzt, und dann kommt Software oben drauf – und dann können Astronomen oder Medizinerinnen diesen nutzen, um Probleme der Menschheit zu lösen“, sagt sie. Dass sie sich nun beruflich als Forscherin an der schwedischen Chalmers University damit beschäftigt, wie diese noch besser werden können, macht sie glücklich: „Es fühlt sich sinnvoll an.“
Die Themen, die hier auf der Konferenz am TUM Campus Heilbronn diskutiert werden, seien zukunftsweisend, erklärt sie: Die hier vorgestellten Lösungen und Technologien seien vielleicht in 20 Jahren marktreif. „Das Ziel ist, Computer so schnell wie möglich und so effizient wie möglich zu machen“, sagt sie. Dabei zeichne es die ARCS-Konferenz aus, durchaus auch mutige Ansätze zu fördern – schließlich erfordern bahnbrechende Veränderungen manchmal „Out-of-the-box thinking“. Themen sind neben parallelem Rechnen und Energie-effizienz auch so genanntes Organic Computing: Dafür gibt es einen so genannten Special Track, normalerweise ein Parallelprogramm zum Hauptteil der Konferenz. „Wir wollen das Thema fördern, deshalb haben wir das Thema auf die Hauptbühne gehoben“, erklärt Konferenzleiter Carsten Trinitis, Professor für Rechnerarchitektur und Betriebssysteme am TUM Campus Heilbronn.
„Wir wollen etwas im Programm haben, was noch nicht Mainstream wird“, ergänzt sein Kollege Martin Schulz, der die Konferenz zusammen mit ihm leitet. Denn wie sonst soll es eines Tages Mainstream werden, wenn es nicht in Fachkreisen diskutiert wird, wo sich die Expertinnen und Experten gegenseitig inspirieren – hier in Heilbronn auch auf einer gemeinsamen Neckar-Bootsfahrt am Abend. „Das zeigt, wie wichtig persönliche Begegnungen sind“, erklärt Trinitis.
Nach dem Energieproblem der Supercomputer gibt es auf der ARCS-Konferenz unter anderem einen Vortrag einer Gruppe aus Essex, die sich damit beschäftigt, wie künftige Probleme des maschinellen Lernens beispielsweise für Mondexpeditionen oder auch für selbstfahrende Autos möglicherweise auch auf kleineren Computern bewältigt werden können. Bisher werden diese meist in der Cloud bearbeitet – aber auch das kostet Energie und Bandbreite, weil viele Daten hochgeladen werden müssen. Und es bringt Sicherheits- und Datenschutz-Probleme mit sich. „Kann man das nicht besser lokal machen?“, fragt der Vortragende, Klaus Mc Donald-Meier. Dafür müsse es optimiert werden zwischen verschiedenen Polen wie Leistungsfähigkeit, Kosteneffizienz, Energieeffizienz und auch der Zeit, bis ein solches System bereit ist für den Markt.
Bei allen Themen gebe es grob zwei Herangehensweisen, erklärt Schulz: Die einen versuchen, aus der bestehenden Architektur der Computersysteme das Beste herauszuholen und optimieren ihre Software darauf, während die anderen versuchen, neue Architekturkonzepte zu entwickeln. „Das ist genau das Spannungsfeld der Konferenz.“ Die Hoffnung ist natürlich, dass sich entsprechende Ideen der Expertinnen und Experten über die künftige Architektur irgendwann bei den Herstellern durchsetzen.
In einem Bereich sind diese Hoffnungen besonders groß. „Quantum Computing, the Dawning of a new Age“ lautet der Untertitel der Konferenz – und auch wenn nicht allzu viele Vorträge das Thema direkt berühren, könnte diese Prognose umfassender sein, als ursprünglich angedacht, wie sich am Ende des zweiten Tages zeigt. Denn die Arbeit an Quantencomputern weist genau jene Eigenart auf, die in anderen Bereichen fehlt: „Schließlich gibt es einen intensiven Austausch zwischen den Herstellern von Quantencomputern und Anwendern “, erklärt Karen Wintersberger. Die Physikerin arbeitet bei Siemens in der Forschung. Und auch hier fällt das Wort Optimierung: „Wir hoffen, dass wir Quantencomputer künftig einsetzen können für Optimierungen in der Produktion“, ergänzt sie. Denn das sind jene Anwendungsfälle, bei denen viele Daten und aufwendige Rechenoperationen anfallen. Bisherige Quantencomputer seien noch klein und funktionierten nicht fehlerfrei, so Wintersberger weiter. Zudem bräuchten sie wesentlich mehr Qubits, „man möchte gerne eine Million Qubits haben“, erklärt sie, aktuelle Quantencomputer haben aber lediglich 100, „im kommenden Jahr vielleicht 1000.“
Wintersberger erforscht derweil, wie sich die bereits existierenden Quantencomputer trotzdem nutzen lassen, indem entsprechende Aufgaben an die bisherige Architektur angepasst werden. Aber sie arbeitet auch an der anderen Seite: Zusammen mit verschiedenen Unternehmen tauscht sie sich in einem Anwenderkonsortium mit den Herstellern von Quantencomputern aus zu Fragen wie, welche Architektur möglicherweise gut wäre, um deren Leistung für bestimmte Anwendungen zu verbessern. Wann sich die großen Hoffnungen bestätigen, steht in den Sternen. Vielleicht werden es am Ende nicht die Quantencomputer selbst sein, die das neue Zeitalter einläuten, sondern die grenz- und fachübergreifende Zusammenarbeit, die anlässlich des erhofften Quantensprungs auf eine neue Ebene gehoben wurde.