Solche und ähnliche Fragen versuchten die Referierenden, Christina Langer von der Stanford University und Prof. Philipp Lergetporer vom TUM Campus Heilbronn, zu beantworten. Während sich Langer vor allem der Frage widmete, wie die Ausbildungsinhalte den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, standen für Lergetporer die Folgen für die Beschäftigten im Mittelpunkt.
Größere Kompetenzen, mehr Gehalt
Langer hat in ihrer Studie untersucht, welche Kompetenzen in der Berufsausbildung in Deutschland vermittelt werden und wie sich diese später auf dem Arbeitsmarkt in Form höherer Gehälter auszahlen. Die Postdoktorandin am Stanford Digital Economy Lab und ihr Co-Autor Prof. Simon Wiederhold von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg analysierten Textdaten aus standardisierten Ausbildungsplänen für 165 Berufe. Mehr als 13.000 verschiedene Qualifikationen teilten sie in fünf Kategorien ein: kognitiv, sozial, digital, manuell und administrativ. Ihre Daten haben die beiden Forschenden dann mit der Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien (SIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verknüpft, die Informationen zu Beschäftigungsverläufen, Ausbildungsberufen und Löhnen von zwei Prozent der sozialversicherungspflichtigen deutschen Beschäftigten enthält.
Es zeigte sich, dass das Erlernen zusätzlicher kognitiver, sozialer und digitaler Fähigkeiten mit einem Anstieg des Gehalts verbunden ist – ganz besonders gilt das bei digitalen Kompetenzen. Werden Letztere stärker vermittelt, zahlt sich das vor allem langfristig aus, während bei zusätzlichen kognitiven und sozialen Kompetenzen die Gehälter sowohl kurz- als auch langfristig ansteigen. Langers Studienergebnisse erlauben auch eine Unterscheidung zwischen allgemeinen Fähigkeiten, die vor allem in der ersten Hälfte der Ausbildung vermittelt werden, und spezifischen Qualifikationen, die in der zweiten Hälfte im Fokus stehen: Allgemeine Fähigkeiten wirken sich stärker auf das Gehalt aus als spezifische. Nicht zuletzt zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Profitieren Frauen vor allem von einer stärkeren Vermittlung kognitiver und sozialer Fähigkeiten, ist es bei den digitalen Kompetenzen umgekehrt: Hier steigen die Gehälter der Männer bei zusätzlichem Erwerb dieser Kompetenzen stärker an als die der Frauen.
Automatisierung und lebenslanges Lernen
Auf jeden Fall lohnt es sich, sich weiterzubilden und die eigenen Kompetenzen auszubauen. Doch sind sich die Beschäftigten der Bedeutung des lebenslangen Lernens bewusst? Und sind sie sich im Klaren darüber, dass ein Teil ihrer bisherigen Tätigkeiten im Beruf künftig automatisiert werden könnte? Diese Fragen standen im Fokus des Vortrags von Philipp Lergetporer. Der Professor für Economics am TUM Campus Heilbronn präsentierte Ergebnisse einer groß angelegten Umfrage unter Beschäftigten in Deutschland. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob sie das Risiko erkennen, dass ein Teil ihrer beruflichen Aufgaben künftig automatisiert werden kann, und ob Informationen über deren tatsächliches Automatisierungspotenzial ihre Erwartungen an den Arbeitsmarkt sowie ihre Weiterbildungsbereitschaft verändert. Dazu wurde eine zufällig ausgewählte Gruppe der Befragten über das Automatisierungspotenzial ihres Berufes informiert, das vom sogenannten „Job-Futuromat“ des IAB erhoben wurde.
Mehr Weiterbildungsbereitschaft durch Information
Zwei zentrale Ergebnisse seiner Studie: Fast 70 Prozent der Befragten unterschätzen die Möglichkeiten, dass ihre Tätigkeiten automatisiert werden. Noch beunruhigender: Je höher das Automatisierungspotenzial, desto seltener realisieren die Betroffenen das Risiko. Lergetporer: „Bevor diese Personen erkennen, dass Roboter oder Generative Künstliche Intelligenz irgendwann ihre Aufgaben übernehmen, könnten sie ihre Jobs verlieren.“ Wie lässt sich dieses Informationsdefizit beheben? Die Studie zeigt: Werden die Befragten über das tatsächliche Automatisierungsrisiko informiert, machen sie sich mehr Gedanken über ihre berufliche Zukunft. Gleichzeitig steigt auch ihre Bereitschaft an Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen.
Lergetporer hat seine Daten 2022 erhoben – vor ChatGPT und den Umwälzungen, die Generative KI in der Arbeitswelt ausgelöst hat. Doch die Kernergebnisse seiner Studie hätten unabhängig von aktuellen technologischen Entwicklungen Bestand: „Das Bewusstsein für die Teilnahme an Schulungen ist ein Schlüssel zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Es ist für die Menschen immer wichtig, ihre Fähigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen und sie so zu erweitern, dass sie die neuen Technologien ergänzen – um nicht von ihnen ersetzt zu werden.“
Neugier und Kreativität
Die wenigsten Menschen hätten die gewaltigen Veränderungen durch ChatGPT vorausgesehen, fügte Langer hinzu: „Es ist wirklich schwierig, sich auf diese Dinge vorzubereiten. Doch gerade deshalb müssen wir anpassungsfähig bleiben.“ Anpassungen – etwa der Lehrpläne – müssten schneller umgesetzt werden als bisher. Abschließend fasste Krcmar die Quintessenz aus beiden Vorträgen zusammen: „,Best Practice‘ bedeutet immer ,Best Practice der Vergangenheit‘. Doch gleichzeitig scheint es zeitlose Meta-Fähigkeiten zu geben: Neugier und Kreativität.“
Zur kompletten Video-Aufzeichnung des Webinars geht es hier.