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Zu Besuch bei Kreislaufwirtschafts-Pionieren

Eidelstedter Messebau-Familienunternehmen siebold/hamburg gewinnt EU-Förderausschreibung

(PresseBox) (Hamburg, )
Schon beim Betreten der Geschäftsräume von siebold/hamburg in Eidelstedt ist deutlich zu spüren: man kann sich hier wohlfühlen und Arbeit kann hier inspirieren und Freude bringen. Im gemütlichen Besprechungsraum hat Tutech Mitarbeiter Jürgen Becker ein Gespräch geführt mit Geschäftsführer Detlev Siebold sowie den beiden Mitarbeiterinnen Ina Blome und Lea-Malin Bahr. Ohne großen Vorlauf sind sie direkt im Thema, es gibt viel zu erzählen!

siebold/hamburg ist ein inhabergeführtes Unternehmen, das seit 25 Jahren Dienstleistungen rund um den Messebau anbietet und ca. 40 Beschäftigte hat. Gerade hat das Unternehmen im Rahmen des EU-Projekts Up2Circ mit beratender Unterstützung von Tutech eine Ausschreibung gewonnen, die mit 50.000,- Euro Fördergeld honoriert wird. siebold/hamburg hat mit einem hervorragenden Projektantrag die EU-Gutachter überzeugt und dargelegt, wie sie sich auf den Weg begeben werden, den Prototyp eines Messestandes zu entwickeln, der den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft entspricht.

TUTECH: Frau Blome, Sie möchten einen nahezu emissionsfreien Messestand entwickeln. Was bedeutet das konkret?

Ina Blome: Der traditionelle Messebau war in der Vergangenheit eher gekennzeichnet durch einen starken Verbrauch von Ressourcen im Sinne der herkömmlich linearen Wirtschaftsweise von „Herstellen, Gebrauchen und Wegwerfen“. Wir praktizieren das schon seit vielen Jahren anders und möchten dies nun noch systematischer angehen. Ich gebe Ihnen mal zwei Beispiele: Wir brauchen für unsere Transporte recht viel Verpackungsmaterial. Das nutzen wir mehrfach - und wurden dafür anfangs von anderen Unternehmen eher belächelt. Oder Teppiche: Es kommt in unserer Branche immer wieder vor, dass Teppiche nur für einen einzigen Tag verlegt und dann entsorgt werden. Wir legen Wert auf Mehrfachnutzung und auch darauf, möglichst selten Produkte aus Verbundstoffen herzustellen, um sie nach Nutzungsende recyceln zu können.

TUTECH: Welche Ziele setzen Sie sich im Rahmen der einjährigen Projektförderung durch Up2Circ?

Ina Blome: Wir werden alle unsere Prozesse anschauen und analysieren und am Ende haben wir ein richtiges Produkt in handbuchartiger Form, eine Art Entscheidungstool für zirkulären Messebau. Dafür nehmen wir zunächst den Ist-Zustand auf. Eine Strategie der Kreislaufwirtschaft ist es, den Verbrauch von Materialien, Ressourcen und Energie zu reduzieren.  Ansatzpunkte sind hier für uns z.B. Materialgewicht, Transportkilometer und CO2-Emissionen. Aber auch Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit wollen wir in den Blick nehmen. Und wir werden noch weitere Faktoren identifizieren.

Detlev Siebold: Als Unternehmen haben wir in all diesen Fragen eine vielfach stärkere Hebelwirkung als im privaten Bereich. Die wollen wir nutzen. Natürlich haben wir Einfluss auf unsere Geschäftspartner und Kunden. Wir können Vorreiter sein und viel bewirken. Wir lagern Messestände für Kunden ein, verwenden Ökotex-Stoffe, bieten Mietmöbel und bauen neue Systeme so, dass sie durch verschiedene Nutzer ausgeliehen werden können.

TUTECH: Ist aber nicht gerade der Bereich des Messebaus gekennzeichnet durch hochwertige, individuell gestaltete Produkte mit wenig Rücksicht auf das Einsparen von Ressourcen? Und auch der häufige Zeitdruck produziert doch bestimmt Rücksichtslosigkeiten.

Detlev Siebold: Das mag hier und dort stimmen. Aber wir können da erfahrungsgemäß auch viel verändern und haben da auch schon viel bewirkt. Ich mag das Bild der enkeltauglichen Gesellschaft und fühle mich diesem verpflichtet. Wir können unternehmerisch und gewinnbringend agieren und gleichzeitig nachhaltig handeln. Wir müssen es sogar! Dazu noch ein Beispiel: Unsere Grafikwände wurden bisher ausschließlich auf Rollen produziert. Neuerdings sind sie faltbar und viel leichter zu transportieren. Das führt in der Summe zu Einsparungen.

Lea-Malin Bahr: Einsparungen, die auch bei den Kunden ankommen. Durch unsere konsequenten Ansätze zum Reduzieren und Wiederverwenden regen wir natürlich auch viele Kunden und Geschäftspartner zum Nachdenken an. Und mittlerweile fordern viele von uns auch, dass wir da aktiv sind und vorangehen.

Ina Blome: Wir waren gerade kürzlich auf einer Messe im Lebensmittel-Bereich aktiv. Dort hat der Veranstalter durch strikte Vorgaben zur Müll-Vermeidung und z.B. Anforderungen zur Reduzierung von Verschnittabfällen klare Vorgaben gegeben und die besten Aussteller und Messebeteiligten ausgezeichnet – wir waren dabei!

Detlev Siebold: Natürlich sind wir bundesweit vernetzt, aber wir agieren gerne regional und versuchen unnötige Transportkosten zu vermeiden. Deshalb verzichten wir schon einmal auf einen Montageauftrag z.B. in München und empfehlen auch mal Konkurrenten aus der dortigen Region.

TUTECH: Wo sehen Sie besondere Herausforderungen in Ihrer einjährigen Projektphase?

Ina Blome: Unsere Abläufe sind sehr komplex, da kann man schon einmal den Überblick verlieren. Am Ende wollen wir den Grad der Nachhaltigkeit unserer Messestände messbar machen. Sicher brauchen wir bei dem Prozess auch noch etwas Hilfe von außen. Und wir wollen und müssen auch die Kunden mit einbeziehen. Aber wir haben als Team einen ganz großen Vorteil – wir sind hochmotiviert und Überzeugungstäter:innen! Es macht Spaß und gibt ein unheimlich gutes Gefühl, die Welt immer mal wieder etwas besser zu machen, Kund:innen zu motivieren und neue Türen zu öffnen.

Lea-Malin Bahr: Ich bin noch relativ neu bei siebold und nach meinem Studium der Innenarchitektur hat unter anderem auch die hier im Betrieb ganzheitlich gelebte Nachhaltigkeit für mich den Ausschlag gegeben, hier so richtig in meinen Berufsalltag einzusteigen.

TUTECH: Das Agieren im Sinne der Kreislaufwirtschaft kann ja auch zu höheren Kosten führen. Ein Problem?

Ina Blome: Nein. Durch längere Haltbarkeit, häufige Wiederverwendung und Effizienz können ja teils auch Kosten gespart werden. Und unsere Kunden sind bereit, für bessere, nachhaltigere Produkte auch etwas mehr zu zahlen. Teilweise fordern sie sogar eine erhöhte Sensibilität von uns ein. Und wir brauchen gesamtgesellschaftlich und global gesehen andere Wirtschaftsweisen. Die Erde wird es uns danken… Geld verdienen und „Gutes tun“ – das geht sehr wohl zusammen.

TUTECH: Welche Rolle spielen Digitalisierung und Innovationen?

Detlev Siebold: Da steckt viel Potenzial für uns drin. Blicken wir noch einmal auf die bereits erwähnte Möglichkeit, sich Messemobiliar in unserem transparenten Lager anzuschauen und auszuleihen: Das passiert in der Regel zunächst nicht real, sondern viel flexibler digital und virtuell. Und bei innovativen Materialien und Rohstoffen haben wir immer offene Ohren. Besseres und leichteres Produzieren ist immer ein Thema.

TUTECH: EU-Projekte wie Up2Circ haben oft den Ruf, bürokratisch und aufwändig zu sein. Können Sie dies bestätigen?

Lea-Malin Bahr: Unsere Beteiligung an Up2Circ war bisher schon manchmal herausfordernd mit den Absprachen, Online-meetings und dann der Formulierung des Projektantrags. Aber die investierte Zeit hat sich auf jeden Fall gelohnt und uns vorangebracht. Inhaltlich und auch als Team. Klasse war ohne Zweifel die Unterstützung durch Frau Schleiff und Herrn Zebahl von TUTECH. Der kompetente, kritische, aber stets zielorientierte Blick von außen war zu jeder Zeit hilfreich.

TUTECH: Herr Siebold, haben Sie Ihre Mitarbeiter:innen zu diesem Projekt überreden müssen?

Detlev Siebold: Nein, überhaupt nicht. Die gemeinsame Entscheidung ist über einen längeren Zeitraum gewachsen und motiviert uns alle, unseren eingeschlagenen Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft weiter zu gehen. Wir leben ja schon lange Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen. Wir sind Umweltpartner der Stadt Hamburg und haben in einem mehrmonatigen Prozess die Zertifizierung zum Ökoprofit-Unternehmen erlangt. Ebenso sind wir im Sinne der Gemeinwohlökonomie zertifiziert. Ganz praktisch nutzen wir seit über 10 Jahren Elektro-Dienstfahrzeuge und betreiben noch länger eine Solaranlage. Wie gesagt: Wir wollen enkeltauglich sein!

Und noch ein Beispiel aus unserem unternehmerischen Wirken: Auf Messen ist der Messestand fast immer Gesprächsthema. Wenn ich da neben Professionalität und toller Gestaltung auch punkten kann mit Ressourcenschonung, Mehrfachnutzung und Recycling, dann entfacht das vielfache Wirkung! Sie werden zum (positiven) Gesprächsthema. Das motiviert uns!

TUTECH: Würden Sie anderen Unternehmen eine Beteiligung an Up2Circ empfehlen?

Ina Blome: Unbedingt und ohne Einschränkungen. Voraussetzungen sind Motivation und die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Uns hat es viele Impulse und Denkanstöße gegeben. Uns wurden gute, gangbare kleine Schritte aufgezeigt. Am Ende war sogar nicht die Projektförderung von 50.000,- Euro entscheidend. Ein schöner Anreiz – aber wir haben weitaus mehr gewonnen!

TUTECH: Frau Blome, Frau Bahr, Herr Siebold, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

Sie sind ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) und möchten mehr über die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft in Ihrem Unternehmenskontext erfahren und wissen, wie sie Unterstützung für Ihr Innovationsvorhaben bekommen können? Kontaktieren Sie uns unter up2circ@tutech.de

 

TUTECH INNOVATION GMBH

Tutech verbindet Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft
Tutech ist ein privatwirtschaftlich organisiertes Tochterunternehmen der Technischen Universität Hamburg und der Freien und Hansestadt Hamburg. Gemeinsam mit unserer Schwestergesellschaft Hamburg Innovation verbinden wir alle öffentlich-rechtlichen Hochschulen der Stadt sowie zahlreiche Forschungseinrichtungen der Metropolregion Hamburg.

Mit Up2Circ die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft entdecken
Die Kreislaufwirtschaft bietet Unternehmen Möglichkeiten, sich ressourcensparenden Prozessen zuzuwenden, die Nutzung vorhandener Vermögenswerte zu maximieren und neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Aber wie kann dies konkret geschehen und welche Umstellungsmaßnahmen würden am besten zu Ihrem Unternehmen passen? Mit dem EU-Projekt Up2Circ können KMU die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft entdecken, ihr Wissen erweitern, einen Aktionsplan entwickeln und finanzielle Unterstützung für Umsetzungsprojekte erhalten.

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