- Historischer Höchststand: Drei Viertel erwarten konjunkturellen Abschwung
- So viele wie nie zuvor rechnen mit stark steigenden Preisen
- Immobilien, Gold und Investmentfonds gelten als inflationssicher
- Kriegsfolgen für Deutschland: Energieversorgung und Außenpolitik im Fokus
Die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland in den kommenden sechs Monaten hat sich in diesem Quartal deutlich verschlechtert: Knapp drei Viertel (74 Prozent) erwarten einen konjunkturellen Abschwung. Das sind 33 Prozentpunkte mehr im Vergleich zum Vorquartal. Selbst im ersten Quartal 2009 zu Zeiten der Finanzmarktkrise lag der Anteil der Pessimisten mit 64 Prozent unter dem aktuellen Niveau. Nur noch jeder Fünfte (21 Prozent) glaubt, dass die wirtschaftliche Lage gleich bleiben wird (Vorquartal: 40 Prozent) und vier Prozent rechnen mit einer wirtschaftlichen Erholung (Vorquartal: 17 Prozent).
So viele wie nie zuvor erwarten stark steigende Preise
Ähnlich pessimistisch zeigen sich die Anleger mit Blick auf die künftige Preisentwicklung. Fast alle Befragten rechnen im nächsten halben Jahr mit steigenden Preisen (98 Prozent). Gut ein Drittel (35 Prozent) erwartet einen leichten Anstieg, knapp zwei Drittel (63 Prozent) einen starken. Dies ist der höchste Wert seit 2008, als diese Frage im quartalsweise erscheinenden Anlegerbarometer zum ersten Mal gestellt wurde. Von konstanten Preisen geht insgesamt nur noch ein Prozent aus, mit fallenden Preisen rechnet derzeit niemand. Die meisten (92 Prozent) führen den Anstieg der Inflation auf den Krieg in der Ukraine zurück und machen ihre Einschätzung an ihren Einkäufen im Supermarkt (92 Prozent) sowie den Benzinpreisen (78 Prozent) fest. Knapp die Hälfte (44 Prozent) bildet ihre Meinung zur Preisentwicklung anhand des eigenen Kontostands. „Die Rekordinflation in Deutschland verschärft die Situation für viele Sparer und wird daher auch ganz bewusst wahrgenommen“, kommentiert Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment, die Umfrageergebnisse.
Immobilien, Gold und Investmentfonds gelten als inflationssicher
So verwundert es kaum, dass sich 39 Prozent derjenigen, die mit einem Sparbuch oder Sparplan Geld zurücklegen, große Sorgen um ihre Ersparnisse machen. Das sind 19 Prozentpunkte mehr als im vierten Quartal 2013. Insgesamt wollen nur wenige Befragte Umschichtungen vornehmen (15 Prozent) oder sich in ihrer Bank über Alternativen informieren (14 Prozent). Der überwiegende Teil der Sparer möchte seine Finanzen genauso belassen, wie sie sind (67 Prozent). Immerhin ein Viertel gibt an, aufgrund der Einschätzung der Preisentwicklung mehr sparen zu wollen (2. Quartal 2021: 19 Prozent), 57 Prozent wollen an ihrem Sparverhalten nichts ändern.
Für besonders inflationssicher halten die meisten Befragten Immobilien (75 Prozent) und Gold (61 Prozent). Aber auch Investmentfonds (36 Prozent) sowie Aktien und Rohstoffe (jeweils 34 Prozent) bieten ihrer Ansicht nach Schutz gegen Inflation. „Die Zurückhaltung der Anleger liegt möglicherweise daran, dass zwei Drittel von steigenden Zinsen ausgehen und sie deshalb keine Notwendigkeit sehen, ihre Finanzen zu überprüfen“, erklärt Gay. Ein Gespräch mit einem Berater lohne sich dennoch. Denn entscheidend sei, die reale Wertentwicklung der Geldanlage im Blick zu behalten. „Selbst wenn die Zinsen leicht anziehen, bleibt das Niveau niedrig und gleicht die Inflationsrate nicht aus. Ein Umstand, der zu realen Verlusten führen kann, wenn Sparer nicht nach ertragreicheren Alternativen suchen“, so Gay.
Kriegsfolgen für Deutschland: Energieversorgung und Außenpolitik im Fokus
Klar ist den Befragten, dass der Krieg in der Ukraine nicht spurlos an ihnen vorübergehen wird. Neben den Preissteigerungen erwarten 62 Prozent sehr starke Auswirkungen auf die Energieversorgung in Deutschland. Knapp jeder Zweite (46 Prozent) rechnet zudem mit massiven Folgen für die deutsche Außenpolitik. Die Lebensmittelversorgung hierzulande sehen hingegen die wenigsten betroffen. Nur 16 Prozent glauben, dass es hier spürbare Auswirkungen geben wird. „Der Ukraine-Krieg markiert einen historischen Einschnitt, dessen Folgen uns noch lange begleiten werden“, sagt Gay. „Die Neuausrichtung der Energiepolitik in Deutschland wird die nachhaltige Transformation der Wirtschaft ankurbeln. Sparer sollten diese Chance nutzen, um vom Wandel zu profitieren.“
Sparer bleiben gelassen und halten chancenorientierte Anlagen für attraktiv
Die Voraussetzungen hierfür sind gut. Trotz Krieg und den damit verbundenen Konjunktur- und Inflationsrisiken zeigen sich die Befragten weiter offen für chancenorientierte Anlagen, insbesondere junge Sparer im Alter zwischen 20 und 29 Jahren. Jeder Zweite (51 Prozent) hält Aktien unverändert für attraktiv (1. Quartal 2022: 49 Prozent), unter den 20- bis 29-Jährigen sind es sogar 59 Prozent. Die Attraktivität von Investmentfonds bleibt mit 50 Prozent ebenfalls auf dem Niveau vor Kriegsbeginn (1. Quartal 22: 51 Prozent). Bemerkenswert ist das Ergebnis mit Blick auf die Einschätzung der Aktienmarktentwicklung. Denn so skeptisch wie in diesem Quartal waren die Befragten lange nicht. 36 Prozent glauben, dass in den kommenden sechs Monaten die Kurse fallen werden (Vorquartal: 22 Prozent), 28 Prozent rechnen mit steigenden Notierungen (Vorquartal: 45 Prozent). Von dieser kurzfristigen Sicht auf die Märkte lassen sich die Sparer allerdings nicht verunsichern. Grundsätzlich geben zwei Drittel (62 Prozent) an, trotz Börsenturbulenzen die Ruhe bewahren zu wollen. Im dritten Quartal 2014 stimmten dieser Aussage lediglich 45 Prozent zu. „Die Evolution des Sparens ist deutlich vorangeschritten. Immer mehr Anleger bleiben auch bei kurzfristigen Kursverlusten gelassen und setzen ihren Fokus auf den langfristigen Vermögensaufbau“, so Gay.
Zur Studie
Das Marktforschungsinstitut Forsa hat im Mai 2022 im Auftrag von Union Investment 1.000 Menschen im Alter von 20 bis 59 Jahren befragt, die in privaten Haushalten über Finanzen entscheiden und mindestens eine Geldanlage besitzen. Die Befragten nahmen an einer Online-Umfrage teil und konnten sich Zeit und Umgebung der Bearbeitung selbst aussuchen. Bei Umfragewerten, die sich nicht zu 100 Prozent addieren, gibt die Differenz den Anteil der unschlüssigen Befragten an.