"Mit seiner heutigen Entscheidung hat das EU-Parlament einer einseitigen Wettbewerbspolitik zugunsten einiger weniger Unternehmen eine deutliche Absage erteilt", fasst VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner zusammen. "Wir sind froh, dass unsere Argumente gehört und einige besonders kritische Regelungen im Single-Market-Paket ganz gestrichen wurden."
Allem voran begrüßt Grützner, dass der Zugang zu Vorleistungsprodukten, die für den Breitbandausbau unverzichtbar sind, nicht erschwert oder verhindert werden kann. "Der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) ist noch auf lange Zeit unabdingbare Voraussetzung für weitere Investitionen und kann nicht, z. B. durch Bitstromangebote, ersetzt werden", so der Geschäftsführer.
Ebenso erfreulich sei die vom Parlament vorgenommene Streichung des Kommissionsvorschlages einer Angleichung der Tarife für EU-weite Ferngespräche auf das Preisniveau nationaler Ferngespräche. Das EU-Parlament habe erkannt, dass es auf dem Markt für Fernverbindungen im Festnetz eine Vielzahl wettbewerblicher Korrektive gäbe und eine Endkundenpreisfestsetzung hierzu keine Alternative sein könne. So bestehe z. B. in Deutschland die Möglichkeit der Nutzung von Call-by-Call. Studien des VATM belegten eindrucksvoll, dass die Nachfrage der Verbraucher nach diesen Diensten nach wie vor sehr hoch ist. "Die europäischen Abgeordneten haben sich eindeutig für verbraucherfreundliche Angebote in einem funktionierenden Markt ausgesprochen", erläutert Grützner. Auch einer Vollharmonisierung in Verbraucherschutzregelungen habe das Parlament zu Recht eine Absage erteilt und den Ländern mehr Ermessensspielraum eingeräumt. Wichtig für die Wettbewerber in Deutschland sei zudem die Streichung des Vetos der Kommission auf Remedies. Grützner: "Mit einer Stärkung des Vetorechts hätte die Kommission über einen 'Generalschlüssel' verfügt. Sie hätte damit die Möglichkeit gehabt, trotz tatsächlich fehlender Vergleichbarkeit der nationalen Märkte sowie uneinheitlichen Investitionsgrundlagen vermehrt auf politisch motivierte regulatorische Maßnahmen sowie Anreize für Incumbents zu setzen."
Sehr kritisch beurteilt der Geschäftsführer allerdings die Entscheidung des Parlaments, die Roaminggebühren im Mobilfunk ab Juli 2015 ganz zu streichen. Dass die Nutzung fremder Mobilfunknetze im Ausland beitragspflichtig ist, sei für die Kunden nachvollziehbar und unstrittig. "Ein Verbot, für eine unstrittig erbrachte Leistung ein Entgelt vom Kunden zu verlangen, ist eine schlechte Verbraucherschutzpolitik", argumentiert Grützner. "Nun müssen andere dafür zahlen. Für den Breitbandausbau ist es enorm wichtig, dass die Kunden wissen, wofür sie bezahlen und die Nutzung eines Netzes auch einen Wert hat." Der Beschluss würde dem europäischen Markt nicht nur Investitionsmittel entziehen, die für den Ausbau der Netze dringend notwendig seien, sondern mit ''Leistung für 0 Euro' ein völlig falsches psychologisches Signal an die Verbraucher senden.
Enttäuscht zeigt sich Grützner auch bei der nun getroffenen Abstimmung zum Thema Netzneutralität. Durch die heutige Abstimmung habe sich Europa einen Bärendienst erwiesen. Die Debatte sei insbesondere in den letzten Tagen zu emotional verlaufen und habe wichtige Aspekte des Marktes ausgeblendet. Zwar dürften Zugangsanbieter auch zukünftig Spezialdienste wie Video-on-Demand in höherer Qualität anbieten, solange diese die Verfügbarkeit oder Qualität der Internetzugangsdienste nicht beeinträchtigen, die anderen Unternehmen oder Diensten angeboten werden. Grützner: "Netzneutralität und Netzwerkmanagement müssen kein Widerspruch sein, solange der Kunde über das Verhältnis von Qualität und Best-Effort entscheiden kann."
Mit Abschluss der Lesung im Europäischen Parlament liegt der Ball nun bei den Mitgliedstaaten. Mit einer Einigung ist frühestens Ende 2014 zu rechnen.
Weitere Informationen und Positionen zu den Single-Market-Plänen der EU-Kommission finden Sie auch im VATM-Interview mit EU-Kommissarin Neelie Kroes und VATM-Präsident Peer Knauer, nachlesbar im aktuellen Jahrbuch des Verbandes unter www.vatm.de.