„Wir befürchten wie die Monopolkommission*, dass mit der weitgehend unstrukturierten Förderung der Ausbau insgesamt verlangsamt und verteuert wird“, sagt Grützner. Unnötige Förderverfahren bedeuten unnötige Bürokratie mit hunderten gleichzeitigen Ausschreibungsverfahren. „Dies führt dazu, dass Gebiete, die etwas später auch ohne Förderung hätten ausgebaut werden können, nun zu Fördergebieten gemacht werden, nur weil wir Deutschland nicht überall gleichzeitig aufbaggern können.“
Da die Baukapazitäten kurzfristig kaum mehr gesteigert werden können, werden entweder Förderausschreibungen ins Leere laufen oder Bagger müssten aus eigenwirtschaftlich geplanten Ausbaugebieten in Fördergebiete abgezogen werden. Was bei völlig unterversorgten und oft ländlichen Gebieten politisch durchaus noch sinnvoll war, macht in durchaus gut versorgten Gebieten unterhalb 100 Mbit/s kaum Sinn.
Der Richtlinie entsprechend wird zwar formal danach gefragt, ob ein Gebiet eigenwirtschaftlich ausgebaut werden kann. Meldet sich kein Unternehmen, bedeutet dies aber keinesfalls, dass das Gebiet unwirtschaftlich ist, sondern in vielen Fällen nur, dass keine zusätzlichen Baukapazitäten vorhanden sind. Oft könnte später auch ohne Steuergeld der Ausbau umgesetzt werden, wenn der Tiefbau den Nachbarort erreicht hat.
„Wenn Politik einen sinnvollen Ausbau nicht abwarten will, wird das ganze System ineffizient, teurer und bürokratischer, aber sicher insgesamt nicht schneller“, so der VATM-Geschäftsführer. Dies sieht die Monopolkommission ähnlich, die ganz aktuell das Förderprogramm der Bundesregierung kritisiert.1
Grützner weiter: „Die Politik muss den Menschen und den Bürgermeistern ehrlich sagen, dass wir nicht ganz Deutschland und alle Straßen gleichzeitig aufgraben können. Nicht alle können und werden die Ersten sein. Eine sinnvolle Planung und eine strukturierte Ausbau- und Förderstrategie sind daher ebenso wichtig und Aufgabe der Politik wie der Abbau bürokratischer Hürden. Statt technisch nicht umsetzbarer Rechtsansprüche und erheblichem zusätzlichen Bürokratieaufbau im neuen Telekommunikationsmodernisierungsgesetz brauchen wir auch von der Politik ein kluges Erwartungsmanagement, schnelle und ehrliche Übergangslösungen für Homeschooling und Homeoffice sowie mehr Offenheit für den Abbau von Bürokratie und effizientere Verlegetechnologien.“
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist hier auf einem guten Weg. Es ist bereit, mit Vouchern Bürgerinnen und Bürgern unbürokratisch zu helfen, bis die Glasfaser kommt. „Solche pragmatischen Lösungen sind allemal sinnvoller als juristische Diskussionen unter Juristen über Rechtsansprüche, die keinen Bagger schneller zu den einzelnen betroffenen Bürgern bringen können“, sagt Grützner.
„Wir haben mit bald 2/3 Gigabit-Versorgung** einen guten Platz in Europa unter den Flächenländern. Wir sind aktuell Vize-Europameister bei der Glasfaser-Aufholjagd, dank Milliardeninvestitionen der Wettbewerber der Telekom. Dank des harten Wettbewerbs wird nun die Telekom dazustoßen und in Zukunft deutlich mehr investieren. 5G macht sich auf den Weg, und in abgelegenen Gebieten hilft die Mobilfunkausbaustrukturgesellschaft“, so der VATM-Geschäftsführer.
„Wir brauchen nicht zusätzlichen Ausbaudruck auf die am Limit arbeitenden Unternehmen, unhaltbare politische Versorgungszusagen und neue Bürokratiehürden in neuen Gesetzen. Wir müssen jetzt gemeinsam an sinnvollen Rahmenbedingungen weiterarbeiten – im Dialog und nicht im Wahlkampfmodus –, damit das geschieht in unserem Land, was den Ausbau und die Digitalisierung wirklich voranbringt“, appelliert der VATM-Geschäftsführer.
* Monopolkommission: Policy Brief: „Wettbewerbsfördernde Umsetzung des Unionsrechts im TKG sicherstellen!“, 7. Februar 2021, Link Policy Brief
** TK-Marktstudie 2020, DIALOG CONSULT/VATM, S. 18. Link TK-Marktstudie 2020