- Höchste Investitionen seit 19 Jahren – 55 Prozent kommen von den Wettbewerbern
- Mehr neue FTTB/H-Anschlüsse denn je – Zahl nimmt um fast 1 Million zu
- 28,8 Millionen gigabitfähige Anschlüsse in Deutschland verfügbar
- Ende 2020 können 62 Prozent aller Haushalte einen Gigabit-Anschluss buchen
- Deutsche erzeugen 72 Milliarden Gigabyte im Festnetz
- Deutschland telefoniert so viel wie nie zuvor mit dem Handy und über OTT
- Branche setzt 58,9 Milliarden Euro um – Mobilfunk wächst
- VATM: Umdenken in der Regulierung erforderlich
Bei den verfügbaren gigabitfähigen Anschlüssen – HFC-Kabel-(DOCSIS-3.1)- und FTTB/H-Anschlüssen – geht es hierzulande 2020 deutlich voran. Neun von zehn dieser Anschlüsse stammen von den alternativen Anbietern. Die Zahl der gigabitfähigen Anschlüsse in Kabel-HFC-Netzen (DOCSIS 3.1) steigt von Ende 2019 bis Ende 2020 um 65 Prozent von 14,35 auf 23,7 Millionen (Abb. 12). Die Zahl der „echten“ Glasfaseranschlüsse wächst um fast ein Viertel auf 5,1 Millionen (Abb. 10). Mehr als ein Drittel der FTTB/H-Anschlüsse wird von Kundinnen und Kunden genutzt. Die Zahl der gebuchten FTTB/H-Anschlüsse steigt seit Ende 2019 um 31 Prozent. „Während die Wettbewerbsunternehmen hier eine Take-up-Rate von knapp 50 Prozent erreichen, liegt diese bei der Telekom Deutschland nur bei unter 20 Prozent. Die Telekom holt bei den Glasfaseranschlüssen zwar auf, vermarktet diese aber noch nicht annährend so erfolgreich wie die Wettbewerber“, sagte Studienautor Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung DIALOG CONSULT und Inhaber des Lehrstuhls für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
„Die Investitionen im Telekommunikationsmarkt nehmen angesichts der Herausforderungen durch den (Aus-)Bau leistungsfähiger Festnetzanschlüsse und die Errichtung neuer 4G- und 5G-Mobilfunkgenerationen zu. 55 Prozent der Investitionen davon entfallen auf Wettbewerbsunternehmen“, erläuterte Prof. Gerpott. Die alternativen Anbieter steigern die Investitionen von 5,1 auf 5,3 Milliarden Euro, die Telekom senkt ihre leicht um 0,1 Milliarde auf 4,4 Milliarden Euro (Abb. 6).
Der Gesamtumsatz der TK-Anbieter steigt 2020 leicht um 600 Millionen Euro (+1 Prozent) auf 58,9 Milliarden Euro (Abb. 1-4). Die Erlöse im Mobilfunkmarkt wachsen um 0,4 Milliarden Euro auf 25,9 Milliarden Euro. 17,7 Milliarden (+0,4 Milliarden Euro) entfallen auf die Wettbewerber und 8,2 Milliarden Euro auf die Telekom. Im Festnetzmarkt werden die Unternehmen stabil 33 Milliarden Euro (+0,2 Milliarde Euro) umsetzen – 13,9 Milliarden Euro davon entfallen auf die Telekom (+0,2 Milliarde Euro), die TK-Wettbewerber (ohne Kabelnetze) verbuchen dieses Jahr 12,9 Milliarden Euro (2019: 13,1 Milliarden Euro). Der Kabelmarkt wächst erneut um 0,2 auf nunmehr 6,2 Milliarden Euro.
Besonders wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist der Geschäftskundenmarkt (Abb. 3). Dieser ist weiterhin hart umkämpft. Hier sind die Wettbewerber bei der Umsetzung von Geschäftskunden-Anschlüssen immer noch sehr stark auf die Telekom angewiesen. Nach einer aktuellen Mitgliederbefragung sind die allermeisten Geschäftskundenanbieter noch immer in 80 bis 90 Prozent aller regionalen oder bundesweiten Ausschreibungen der deutschen Wirtschaft auf die Leitungen der Telekom angewiesen, um ein wettbewerbsfähiges Angebot abgeben zu können. „Den noch fehlenden Wettbewerb nutzt die Telekom und versucht, ganz aktuell massive Preiserhöhungen bei den betroffenen Unternehmen durchzusetzen“, kritisierte VATM-Präsident Martin Witt im Anschluss an die Vorstellung der Studienergebnisse scharf. DSL-Anschlüsse auf Basis der angemieteten „letzten Meilen“ (Teilnehmeranschlussleitung/TAL) nehmen weiter ab (-500.000). Um 300.000 wuchs hingegen das Segment der Wettbewerber-Anschlüsse auf Basis von Telekom-Bitstrom-Vorleistungen.
„Vor allem infolge der zweiten Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur müssen viele Wettbewerber verstärkt auf diese noch teureren Vorleistungen zurückgreifen, die noch teurer sind als die TAL. Die Abhängigkeit der alternativen Festnetzanbieter von Vorleistungen der Telekom Deutschland ist in den vergangenen Jahren also nicht geringer geworden“, erläuterte Prof. Gerpott. „Rund 70 Prozent aller genutzten Anschlüsse werden weiter physikalisch auf dem Netz des Ex-Monopolisten bereitgestellt.“
Datenvolumen nimmt weiter rasant zu
Die Kunden in Deutschland wollen bei ihren Anschlüssen immer mehr Geschwindigkeit. „Dazu hat auch die Corona-Pandemie mit Homeoffice, Homeschooling und Freizeitnutzungen zu Hause beigetragen“, sagt Prof. Gerpott. Die Zahl der Haushalte, die mehr als 250 Mbit/s buchen, verdoppelt sich von 1,3 auf 2,9 Millionen. Der Anteil der nachgefragten Festnetzanschlüsse mit mindestens 50 Mbit/s Downstream-Bandbreite wird 2020 auf fast 47 Prozent wachsen (Abb. 15). Der Datenhunger in Deutschland nimmt weiter rasant zu: Im Festnetz werden in diesem Jahr insgesamt 72 Milliarden Gigabyte (GB) verschickt oder heruntergeladen (Abb. 16) – das bedeutet eine Steigerung um 28,6 Prozent im Vergleich zu 2019. Das durchschnittliche Datenvolumen pro Anschluss und Monat beträgt 168,1 Gigabyte (+25 Prozent). „Ich bin sehr froh und es ist sehr gut, dass unsere Netze in diesen Zeiten der besonderen Herausforderungen und Zusatzbelastungen durch Corona so stabil laufen. Das zeigt, dass wir sehr gute und sichere Netze haben“, sagte VATM-Präsident Martin Witt später. Im Mobilfunk übertragen die Nutzer 2020 insgesamt rund 5,2 Milliarden GB – das bedeutet eine Steigerung von 52,9 Prozent (Abb. 20). Pro Monat verbraucht der User durchschnittlich 3 GB. „Trotz steigender Datennutzung bleiben die Preise für die Kunden weiter stabil“, betonte Witt.
5G-Aufbau schreitet zügig voran
Mehr als zwei Drittel der Ende 2020 aktiven persönlichen Mobilfunk-SIM-Karten ermöglichen es den Kunden, Mobilfunknetze der vierten oder fünften Generation zu nutzen (Abb. 18). „Die Anzahl der 5G-fähigen SIM-Karten liegt Ende 2020 bei 4,2 Millionen. Der Aufbau der 5G-Mobilfunknetze schreitet in 2020 zügig voran“, erläuterte TK-Experte Prof. Gerpott.
„Das Sprachvolumen nimmt 2020 leicht um 10 Millionen Gesprächsminuten pro Tag zu (+1,3 Prozent) – wahrscheinlich eine Folge der verstärkten Telefonnutzung aufgrund der Corona-Pandemie“, nannte Prof. Gerpott ein weiteres Ergebnis der Marktstudie (Abb. 5). Dabei setzen sich die Trends fort: Während weniger via Festnetz telefoniert wird (-24 Millionen Minuten täglich), greifen die Bürgerinnen und Bürger häufiger zum Smartphone: 361 Millionen Minuten täglich wird mobil gesprochen (+16 Millionen) und 213 Millionen Minuten (+18 Millionen) über den Einsatz von OTTs. „Damit können die Mobilfunkanbieter und die OTT-Telefonieanbieter bei weiter zunehmenden Verbindungsminuten mittlerweile einen Anteil von mehr als 70 Prozent für sich gewinnen“, verdeutlicht der Studienautor.
VATM-Präsident: Große Sorge um weitere Entwicklung
VATM-Präsident Martin Witt bezog bei der Vorstellung der neuen TK-Marktstudie wie folgt Stellung: „Dass wir bei der Versorgung der Bevölkerung mit schnellem Internet derart gut aufholen und an der Leistungsgrenze der verfügbaren Baukapazitäten arbeiten, ist eindeutig dem Wettbewerb und den Wettbewerbsunternehmen zu verdanken“, betonte Witt: „Trotz der durchaus positiven Marktentwicklung mache ich mir große Sorgen über die so wichtigen zukünftigen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, die durch maßgebliche anstehende Entscheidungen geprägt sein werden. Starker Wettbewerb und eigenwirtschaftlicher Ausbau drohen durch falsche Förderung und einseitige Unterstützung der Telekom aufs Spiel gesetzt zu werden. Wieder einmal verknüpft die Telekom ihre Bereitschaft von Vectoring abzulassen und auch selbst mehr in echte Glasfaser in Deutschland zu investieren, mit einseitigen Begünstigungen bei TKG-Novelle und Regulierung.“
An dieser Stelle äußerte der VATM-Präsident zudem große Bedenken wegen der ganz aktuell von der Bundesregierung in Brüssel angemeldeten Graue-Flecken-Förderung. Witt: „Wir brauchen eine sinnvolle Struktur, die von den Kommunen, den TK-Unternehmen, insbesondere aber auch von den Tiefbauunternehmen bewältigt werden kann. Der VATM erläutert gerne den erarbeiteten Vorschlag, um eine strukturierte Förderung sicherzustellen. Es besteht ansonsten die große Gefahr, dass Milliarden von Steuergeldern nicht bedarfsgerecht den Ausbau voranbringen, sondern ihn verteuern und sogar wieder verlangsamen.“
Die guten Ergebnisse der Marktstudie dürften auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wettbewerbsunternehmen weiterhin massiv und vor allem deutschlandweit solange vom Zugang zu den Netzen der Telekom angewiesen sein werden, bis ganz überwiegend alternative Glasfaseranschlussinfrastrukturen dem Markt zur Verfügung ständen, so Witt: „Flickenteppichartiger weiterer Regulierungsabbau beim Bitstrom-Zugang in immer mehr einzelnen Orten – in der jüngsten Markt-3b-Entscheidung von bislang 20 auf 145 Orte – verhindert die bundesweit erforderlichen Angebote für unsere Wirtschaft. Er schadet massiv der Wettbewerbsfähigkeit sowie dem Ausbau und damit den Menschen sowie der Wirtschaft in der Zukunft. Hier muss dringend ein Umdenken in der Regulierung erfolgen und ein Migrationskonzept von Kupfer auf FTTB/H für Deutschland gefunden werden, das allen Unternehmen – einschließlich der Telekom – Planungssicherheit bietet.“
Stattdessen mache die Telekom den FTTH-Ausbau von weiteren Preiserhöhungen auf den alten abgeschriebenen Kupfernetzen abhängig. „Dies ermöglicht ihr strategisch niedrige eigene Endkundenpreise auf Kupferpreise oder gar den quersubventionierten Überbau von bestehenden Gigabit-Netzen. Dabei sind es doch die Wettbewerber, die den mit Abstand größten Anteil der Ausbaulast tragen und Schutz verdient haben, anstatt durch noch höhere Zahlungen an die Telekom bei der Finanzierung ihres eigenen Ausbaus behindert zu werden. Ein solcher gravierender Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen, die versprochen haben, insgesamt fast 10 Milliarden Euro in den echten Glasfaserausbau unseres Landes zu stecken, wäre ein fatales Zeichen an weitere Investoren, die bereit sind, Glasfaser und 5G nach Deutschland zu bringen. Grundsätzlich ist Regulierungsabbau, wo der Wettbewerb es zulässt, ein richtiges Ziel – es müssen aber auch alle Beteiligten erwachsen damit umgehen. Das scheint noch nicht der Fall zu sein“, warnt der VATM-Präsident.
„Wenn wir mit Politik und Regulierung faire Rahmenbedingungen für den gesamten Markt schaffen, können wir Deutschland bei Ausbau und Digitalisierung ganz nach vorne bringen“, ist Witt überzeugt: „Wir müssen alle Kräfte darauf verwenden, die Digitalisierung, nicht nur bei der Infrastruktur, schneller voranzutreiben.“
Die Mitteilung II zu den einzelnen Ergebnissen der Studie und die Studie selbst finden Sie dieser Mail beigefügt sowie unter www.vatm.de.
Prof. Dr. Torsten J. Gerpott ist wissenschaftlicher Beirat des Beratungsunternehmens Dialog Consult GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Martin Witt, Präsident des VATM e. V., Vorstandsvorsitzender der Drillisch Netz AG, Vorstandsvorsitzender der 1&1 Telecommunication SE, Geschäftsführer 1&1 Drillisch online GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender 1&1 Versatel GmbH.
[1] S. Dialog Consult/VATM: TK-Marktanalyse Deutschland 2009, Abb. 4, S. 7