Die durchschnittliche Urlaubsdauer eines Bürgers, in der er von Roaming profitieren kann, beträgt in Europa durchschnittlich nur 12 Tage im Jahr. Für die meisten Reisenden waren daher die bisher geltenden Regelungen völlig ausreichend, die an bis zu 30 Tagen keine Zusatzkosten für Handytelefonate im Ausland vorsahen. Die letzte von EU-Kommissar Oettinger geplante nochmalige Erweiterung auf 90 Tage war bereits ein extremer Vorstoß.
„Der ausdrückliche Wunsch von EU-Präsident Juncker, die neuen Fair Use Klauseln auf 365 Tage auszuweiten, bringt also unterm Strich überhaupt keine Verbesserung für den normalen Bürger“, ärgert sich Grützner. „Profitieren werden von dieser Regelung vorrangig Geschäftskunden oder auch Politiker, die sich immer wieder für lange Zeit im Ausland aufhalten.“ Alle Rechenbeispiele zeigten schon heute, dass letztlich die Privatkunden die Zeche für die Geschäftskunden werden zahlen müssen.
Die neue Regelung entziehe dem Markt zudem Geld, das für den dringend notwendigen Infrastrukturausbau benötigt werde. Billige Anbieter auf Basis kleinerer oder technisch schlechterer Netze profitierten davon während die Betreiber großer, technisch ausgereifter Netze verlieren würden.
Schutzklauseln, die die Kommission jetzt vorgelegt hat, um die faire Nutzung der neuen Roamingregeln ab Juni 2017 sicherzustellen, führten zu erheblichem bürokratischen Aufwand für die nationalen Anbieter ohne dabei Missbrauch wirklich verhindern zu können. So soll die Regelung nur für solche Karten gelten, die in dem Land erworben werden, indem der Kunde seinen Wohnsitz hat. Europaweite Regelungen für derartige Kontrollen gibt es jedoch nicht.
Missbrauch soll beispielsweise dann vorliegen, wenn nur geringfügige Handynutzung im Inland – im Vergleich zum Roamingverkehr im Ausland – festgestellt wird. Dies steht aber ganz offenkundig in Widerspruch zu einem 365-Tage-Nutzungsrecht im Ausland. „Auch datenschutzrechtliche Aspekte hat man außer Acht gelassen“, so Grützner, „Denn wer wo wieviel über einen bestimmten Zeitraum telefoniert oder Daten versendet, soll nun von den Unternehmen und im Zweifel der Regulierungsbehörde erfasst und ausgewertet werden müssen.“
Große Probleme sieht der VATM auch für die deutschen Sicherheitsbehörden, wenn die Erfassung der Kundendaten ins Leere laufen würde.
„Mit Fair Use werden Verbraucherinteressen nur scheinbar vertreten“, resümiert Grützner. „365 Tage Roaming braucht kein Reisender. Diese Regelung geht eindeutig zulasten wichtiger Infrastrukturmaßnahmen gerade hier in Deutschland.“