Bereits im Juni 2021 begannen sowohl nationale Expertengruppen ((E)NEG) – in Deutschland unter Führung des Umweltbundesamtes (UBA) und unter aktiver Mitarbeit des Verbands für die Oberflächenveredelung von Aluminium e. V. (VOA) – als auch die Technical Working Group auf europäischer Ebene mit ihrer Arbeit. Letztere setzt sich zusammen aus Repräsentanten der europäischen Mitgliedsstaaten, Vertretern der betroffenen Industrie, der EU-Kommission sowie europäischen Verbänden, wie der European Association for Surface Treatment on Aluminium (ESTAL) – hier ist der VOA der größte Mitgliedsverband –, koordiniert durch das European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau (EIPPC) in Sevilla. Auf die Kick-off-Veranstaltung folgte die Formulierung der „Initial Positions“, deren Auswertung durch das EIPPC mit Feedback und Diskussion sowie die Erstellung eines umfangreichen Fragebogens für die zahlreichen, unterschiedlich aufgestellten EU-Betriebe. Die im 3. Quartal 2023 abgeschlossene Erhebung bildet mit ihren Zahlen die Basis für die Ausarbeitung des BREF-STM, welches aus zwei Teilen besteht: dem Merkblatt plus der zusammenfassenden Schlussfolgerung Best Available Technique Conclusion (BAT Conclusion), die die maßgeblichen Anforderungen beinhaltet.
Durch den European Green Deal der EU rückt der BREF-Prozess mehr in den Fokus des anlagenbezogenen Umweltschutzes auf EU-Ebene. Neben Emissionen gewinnen dabei auch Themen wie Dekarbonisierung, Circular Economy und Chemikalien-management an Bedeutung. Zudem interessieren insbesondere die Verbrauchswerte für Energie, Wasser oder Rohstoffe die zahlreichen Autoren, die das BREF STM überarbeiten. Aus den auch bei den VOA-Mitgliedsunternehmen erhobenen Daten leiten sich künftig Emissionswerte ab, die in ganz Europa verbindlich umzusetzen sind. Das BREF STM legt also die zukünftigen Grenzwerte für Emissionen in die Luft und in das Abwasser sowohl der deutschen als auch der europäischen Oberflächenveredelungsindustrie fest.
Der VOA engagiert sich in der ENEG, entsandte einen Repräsentanten in die Technical Working Group und hält Kontakt zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern, auch auf europäischer Ebene. Die einzelnen Arbeitsschritte, die der Verband im komplizierten Revisionsprozess begleitet, bringen einen enormen Arbeitsaufwand – oftmals mit sehr kurzen Fristen – mit sich, der viel Expertise und professionelles Herangehen erfordert. Insbesondere galt es, auf Basis des komplexen Fragebogens realistische und nachvollziehbare, sehr detaillierte Anlagendaten von VOA-Mitgliedsunternehmen zu sammeln und diese mit in den Datenpool einzubringen. Dabei zeigte sich, dass es nicht nur bei den deutschen Unternehmen, sondern auch in den einzelnen EU-Ländern unterschiedliche Verfahren gibt und zum Teil andere Messwerte erhoben werden.
Beispielsweise fragte das EIPPC-Büro nach der durchschnittlichen Wanddicke bzw. Teileoberfläche der behandelten Werkstücke. Da jeder Veredelungsbetrieb im Laufe des Jahres eine Vielzahl von Werkstücken bearbeitet, von denen jedes einzelne an verschiedenen Stellen unterschiedliche Wanddicken und komplexe Geometrien besitzen kann, lassen sich geforderte Richtzahlen in der Gesamtschau meist nur grob abschätzen. Zudem gibt es weitere Hürden: In den Betrieben fehlen für manche Daten schlicht die anlagentechnischen Voraussetzungen zu deren Erfassung wie etwa zur Aufteilung des Abluftvolumenstroms auf einzelne Prozessstufen oder zur Ermittlung des Wassereinsatzes pro Prozessstufe. Auch sind in Deutschland Angaben zur Schwermetallfracht im Abwasser in kg/h unüblich und werden nicht gemessen; gleiches gilt für Geruchsemissionen. Zudem wären zur Berechnung der für jeden Luftinhaltsstoff geforderten „removal effificiency“, also dem Wirkungsgrad der Abluftreinigung, die Schadstoffkonzentrationen jeweils auch im Rohgas zu erfassen. Gemessen wird aber ausschließlich im Reingas, denn hierfür gelten die einzuhaltenden Grenzwerte.
Der VOA überzeugte zahlreiche Mitgliedsunternehmen davon, freiwillig an dem aufwändigen Prozess der Datensammlung teilzunehmen. In vielen Einzelgesprächen mit jedem Unternehmen ging es darum, die erforderliche Vertraulichkeit zu wahren und von Anfang an Ungereimtheiten direkt aufzudecken, Begriffe zu klären sowie Fehlinterpretationen zu vermeiden. Als Grundlage für die Gespräche erarbeitete die eigens für die Bewältigung dieser Aufgabe ins Leben gerufene VOA-Projektgruppe „BREF STM“ eine Liste mit den bereitzulegenden Informationen. Hierzu zählten beispielsweise Daten aus dem Genehmigungsbescheid sowie Angaben der letzten drei Jahre zu den Abwassermengen, Protokolle von Abwasser- und Abluftmessungen, Daten zum Einsatz der verschiedenen Energieträger sowie zum Frischwasserbedarf. Das Ergebnis lässt sich als eine echte Erfolgsgeschichte des VOA und seiner Mitgliedsunternehmen verbuchen: Von ursprünglich 13 gemeldeten VOA-Mitgliedsunternehmen liegen dem UBA elf qualifiziert ausgefüllte Fragebögen vor. Auch erklärten sich mehrere Unternehmen dazu bereit, Besuche von Experten, beauftragt durch das EIPPC-Büro, zuzulassen, damit diese im Frühjahr 2024 die technischen Gegebenheiten vor Ort begutachten konnten.
Auf Basis der gesammelten Daten aus Betrieben in ganz Europa gilt es nun für das EIPPC-Büro, unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem „European Green Deal“ fundierte Daten festzulegen, die sinnvollerweise von den Anlagenbetreibern umzusetzen sind und ebenso von den Genehmigungsbehörden unproblematisch vollzogen werden können. Die Veröffentlichung des neuen BREF STM ist für Herbst 2026 vorgesehen, verzögert sich nach Einschätzung des VOA vermutlich aber um einige Monate.
Der VOA leistet zusammen mit seinen Mitgliedsunternehmen einen enormen Beitrag, denn durch die aktive Mitarbeit im „Sevilla-Prozess“ bietet sich die Chance, den europäischen und weltweiten Standard für eine effiziente umweltverträgliche Produktion mitzubestimmen. Dabei geht es darum, das von deutschen Anlagen bereits heute erreichte Umweltschutzniveau in den Prozess der Ableitung technikbasierter Emissionsstandards in Europa einzubringen. Dies geschieht durch aktive Mitarbeit bei der Datenerhebung und den Technikbeschreibungen im „Sevilla-Prozess“ und dürfte für viele Betriebe eine Gelegenheit sein, die Erreichung EU-weit gleicher Wettbewerbsbedingungen im Umweltbereich zu befördern.
Hintergrundinformation zu der Revision des BREF STM:
Wie läuft die Aktualisierung ab und wer ist daran beteiligt?
Im Vorfeld einer BREF-Revision rufen die Branchenexperten des Umweltbundesamts (UBA) die (Erweiterte) Nationale Expertengruppen ((E)NEG) für jedes BREF ins Leben und der sogenannte „Sevilla Prozess“ beginnt. Die NEG, nationales Gremium für die Überarbeitung, setzt sich aus Behördenvertretern zusammen, die ENEG bindet zudem Experten aus der Industrie, der Wissenschaft und von Verbänden mit ein. In regelmäßigen Abständen trifft sich die Gruppe unter Leitung des UBA und tauscht sich über den aktuellen Stand, die anstehenden Arbeiten und mögliche Positionen zu den einzelnen Arbeitsschritten im Prozess aus. Sie begleitet die komplette BREF-Revision und unterstützt damit direkt das Umweltbundesamt, das die deutsche Position bei den Verhandlungen in Sevilla vertritt. Das dort angesiedelte European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau (EIPPC-Büro – kurz „Sevilla Büro“ genannt, da es in dieser Stadt sitzt) fungiert als neutrales, fachlich kompetentes Gremium und ist für die Planung und Durchführung der Neuerarbeitung und der Revisionsprozesse von BVT-Merkblättern (Beste verfügbare Technik) zuständig.
Bei den BVT-Merkblättern handelt es sich um sehr umfangreiche Dokumente mit großem Informationsgehalt. Anlagenbetreiber und Genehmigungsbehörden können sich an ihnen orientieren. Die darin enthaltenen Schlussfolgerungen bzw. Anforderungen sind verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten anzuwenden. Sie gelten für neue Anlagen unmittelbar nach der Veröffentlichung und für bestehende Anlagen spätestens nach vier Jahren. Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten neben Emissionsbandbreiten und den dazugehörigen Emissionsminderungstechniken verbindliche Anforderungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anlagen des jeweiligen Sektors. Im deutschen Sprachgebrauch sind die englischen Bezeichnungen für BVT-Merkblätter bzw. für die BVT-Schlussfolgerungen – BREF (Best Available Techniques Reference Document) und BAT Conclusion (Best Available Technique Conclusion) – durchaus üblich und werden synonym verwendet.
Sandra Leuthold aus dem Fachgebiet III 2.2 „Ressourcenschonung, Stoffkreisläufe, Mineral- und Metallindustrie“ beim UBA und zuständig für das STM BREF sagt über die Revision desselbigen: „Die Industrieverbände wie der VOA nehmen eine wichtige Position bei der Begleitung des ‚Sevilla-Prozesses‘ auf nationaler Ebene ein, denn sie bilden die Schnittstelle zu den Unternehmen, die durch das Ausfüllen des äußerst komplexen Fragebogens ihre Daten für die Ableitung der zukünftigen Emissionswerte zur Verfügung stellen. Zudem koordinieren die Verbände die Kommentare zu den einzelnen Papieren aus Sevilla und können durch ihre umfangreichen Informationen zu aktuell im Einsatz befindlichen und auch neuen Techniken wichtige Impulse für die Ergänzung der sogenannten BVT-Kandidaten geben. Ich bin sehr froh über die rege Beteiligung, denn nur so können wir gute Positionen erarbeiten.“
Weitere Informationen auf www.umweltbundesamt.de.