Wieso bringen Sie für die kommunalen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gesonderte Themen in die diesjährige Tarifrunde ein?
Wolfgang Heyl: „Seit Jahren ist die finanzielle Situation der kommunalen Krankenhäuser auf Kante genäht. Die strukturellen Schwächen der Krankenhausfinanzierung treffen mit den Kostensteigerungen in mittlerweile fast allen Bereichen zusammen. Das erhöht die Gefahr von Insolvenzen. Das ist leider die Realität und liegt auch daran, dass der Investitionsbedarf der Häuser von den hierzu verpflichteten Ländern nur zur Hälfte abgedeckt wird. Wir bekommen die derzeitigen Kostensteigerungen auch nicht einfach mal so refinanziert. Für derart bedrohliche Situationen gab es bis 2020 mit den Gewerkschaften vereinbarte Tarifverträge, nämlich den Tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser (TV-ZUSI) und den TV Soziale Dienste, der den Bereich der Altenhilfe und/oder Altenpflege umfasst. Beide Verträge wollen wir wieder in Kraft setzen, denn sie bilden eine Basis dafür, die wirtschaftliche Zukunft eines Krankenhauses und somit Arbeitsplätze der Beschäftigten zu sichern. Hierbei muss man wissen, dass ein Haus, dem es finanziell gut geht, diese Verträge gar nicht anwenden kann. Nur wenn ein Haus nachweislich notleidend ist, kann es auf dieser Grundlage mit der Gewerkschaft ver.di eine Anwendungsvereinbarung abschließen. Es kann und wird kein Abweichen vom TVöD geben, ohne dass die Gewerkschaften das mittragen. Dass im Nachgang zu unserem Angebot behauptet wird, dass bereits durch das Wiederinkraftsetzen von TV-ZUSI und TV Soziale Dienste den Beschäftigten ein Sonderopfer abverlangt wird, ist schlicht falsch!“
Welches Ergebnis muss am Ende der gesonderten Gespräche bzw. der Tarifrunde stehen?
Wolfgang Heyl: „Wir wollen am Ende ein Gesamtpaket vorlegen, das weder die Leistungsfähigkeit unserer Einrichtungen übersteigt noch Einschnitte in der Daseinsvorsorge mit sich bringt. Unser am Ende der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegtes Angebot enthält die Punkte, die für uns wichtig sind. Das betrifft neben dem Wiederinkraftsetzen des TV-ZUSI und des TV Soziale Dienste, eine Öffnungsklausel, um weitere Zulagen bzw. Zuschläge für Dienste zu ungünstigen Zeiten, das Holen aus dem Frei, Springerdienste etc. zu ermöglichen. Ein weiterer Aspekt, der uns wichtig ist, ist die Verbesserung unserer Möglichkeiten zur Personalgewinnung und Personalbindung. Zugleich haben wir eine Verhandlungszusage zu Praxisanleitungen sowie im Hinblick auf die Ausbildung zur/zum Kranken- und Altenpflegehelferin und -helfer angeboten, womit wir auch hier weitere Anreize schaffen wollen.“
Welche Rolle spielt die Tarifrunde mit dem Marburger Bund für den Abschluss im öffentlichen Dienst?
Wolfgang Heyl: „Unsere Kliniken sind aufgrund der beiden parallellaufenden Tarifverhandlungen – einerseits mit ver.di und dbb, andererseits mit dem Marburger Bund – doppelt belastet. Denn der Marburger Bund neigt wie die anderen Gewerkschaften zu realitätsfernen Forderungen. Er fordert eine Erhöhung der Entgelte um fast zwölf Prozent. Ein solcher Tarifabschluss übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der kommunalen Krankenhäuser. Nicht zu vergessen, dass die Ärztinnen und Ärzte trotz der zuletzt hohen Inflation noch immer Reallohngewinne von mehr als 14 Prozent verbuchen konnten.
Fakt ist, wir wollen unseren Beschäftigten in den Kliniken Entgeltsteigerungen zuteilwerden lassen. Das muss aber in einem ausgewogenen Maß geschehen. Wenn die Kliniken Insolvenz anmelden, ist niemandem geholfen. Die stationäre Krankenversorgung muss gesichert sein.“
Die dritte Verhandlungsrunde mit ver.di und dem dbb beamtenbund und tarifunion ist für den 27. bis 29. März 2023 in Potsdam terminiert; die dritte Verhandlungsrunde mit dem Marburger Bund am 3. und 4. April 2023.
Weitere Informationen finden Sie unter: tarifrunde-2023.vka.de