"Verbraucherdarlehensdokumente zählen zu den wenigen Ausnahmen, für deren Unterzeichnung der Gesetzgeber explizit die Schriftform vorschreibt", erklärt VOI-Experte Jörg-M. Lenz. "In den meisten Fällen kann die Form der Unterzeichnung eines Vertrags frei gewählt werden. Deswegen wird man immer öfter gebeten, auf einem Schreibtablett zu signieren, was dann ein absolut rechtsgültiger Vorgang ist."
Seit der Verkündung des Gerichtsurteils (OLG München, Urteil v. 4.6.2012 - 19 U 771/12) erhielt der VOI zahlreiche Anfragen, in welchen Fällen Unterschriften auf sogenannten Pen Pads, Tablets oder dem iPad rechtsgültig sind. Durch manche Berichte über das Urteil entstand die Annahme, die Unterzeichnung auf einem Tablet könnte generell unwirksam sein. "Das Gegenteil ist der Fall - es sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen", stellt Jörg-M. Lenz klar. Zur Verdeutlichung hat der VOI nochmal diese Ausnahmen zusammengetragen:
Konventionelle Signatur oder Chipkarte vorgeschrieben
Im Fall des aktuellen Gerichtsurteils im Zusammenhang mit Verbraucherkrediten ergibt sich die Schriftformerfordernis nach § 126 BGB aus den Voraussetzungen des § 492 BGB.
Weitere Anwendungsbereiche sind grundsätzlich von der elektronischen Form ausgenommen: Vertrag über die Teilnutzung von Wohngebäuden nach § 484 BGB, Dienstzeugnisse nach § 630 BBG, Kündigung von Arbeitsverträgen nach § 623 BGB, Leibrentenversprechen nach § 761 BGB, Bürgschaftserklärung nach § 766 BGB, Schuldversprechen nach § 780 BGB und Anerkennungserklärungen nach § 781 BGB.
Wer elektronische Dokumente in erster Linie mit Behörden, Gerichten, im Gesundheitswesen oder auch im Rahmen der Müllentsorgung elektronisch austauschen will, ist bei einigen Vorgängen gezwungen, sogenannte qualifizierte elektronische Signaturen einzusetzen. Um diese Signaturen erzeugen zu können, muss man spezielle Chipkarten und Kartenleser sowie Zertifikate nutzen. Zugelassen sind nur Produkte und Verfahren mit einer Freigabe durch die Bundesnetzagentur.
Die Regel: Unterschrift auf Tablet für die meisten Vorgänge rechtsgültig
Für die deutlich überwiegende Anzahl zu unterschreibender Vorgänge im Geschäftsleben treffen oben genannte Ausnahmefälle nicht zu, da hier formfreie Vereinbarungen getroffen werden. Man hat folglich die Wahl, auf welches Verfahren zum elektronischen Unterschreiben man sich verlassen will. Die meisten Verträge können auch mündlich geschlossen werden.
Heute wird immer öfter auf Papier verzichtet: In den Filialen deutscher Kreditinstitute wird auf Unterschriftenpads signiert. Versicherungsunternehmen lassen Anträge auf iPads und Signaturtabletts unterzeichnen. An den Kassen in Möbelhäusern, Schuhläden, Sportgeschäften, Boutiquen oder Telekommunikationsläden finden sich SignPads. Unterschrieben wird beispielsweise zur Eröffnung von Konten, für Lastschriften, Reklamationen, Retouren und zur Dokumentation erbrachter Serviceleistungen. In Dutzenden von Bürgerbüros und KFZ-Zulassungsstellen unterschreiben Bürger ihre Anträge für Identitätsdokumente und zur Anmeldung von Fahrzeugen auf Tablets und Unterschriftenpads.
Die Sicherheit solcher Verfahren für die elektronische Unterschrift wird unter anderem vom TÜV Saarland überprüft. Im März 2012 hat der TÜV Saarland die erste Anwendung für iPads und Android-Tablets als "Geprüfte App" zertifiziert. Unterschriftsdaten, die mit diesen Verfahren aufgenommen werden, können im Bedarfsfall durch Schriftsachverständige überprüft werden. Sofern Referenzunterschriften in einer Datenbank zur Verfügung stehen, kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine automatische Prüfung per Software in einen Workflow integriert werden, beispielsweise vor der Auslösung nachgelagerter Prozesse oder der Archivierung signierter Dokumente.
Über den jüngsten Stand rund um die Anwendung elektronischer Signaturen informieren Mitglieder des VOI auch gemeinsam mit TeleTrusT am 14. September 2012 in Berlin beim nächsten Signatur-Informationstag und im Zuge von Fachvorträgen im VOI ECM Forum auf der DMS EXPO vom 23. bis 25. Oktober 2012 in Stuttgart.