In den Schulferien begleitete Astrid Drexhage bereits die Nahverkehrs-Touren der elterlichen Spedition. Die Spedition Weber & Weber war im Raum Ostwestfalen und weit darüber hinaus eine bekannte Größe. Außerdem war das Unternehmen ein wahrer IT-Pionier, der schon in den 70er Jahren eine eigene Speditionssoftware programmiert und später erfolgreich vermarktet hatte.
Eine Karriere in der Logistikbranche kam ihr dennoch erst viel später in den Sinn. Zunächst sah sie ihre Zukunft in der Gastronomie. Dieses Ziel gab sie nach einem Hotel-Praktikum jedoch schnell wieder auf. Stattdessen begann die gebürtige Bielefelderin ihre berufliche Laufbahn in einer Unternehmensberatung. Nach einem BWL-Studium an der Philipps-Universität in Marburg heuerte die Diplom-Kauffrau 1999 als SAP-Consultant bei einer KPMG Tochtergesellschaft an. Dort wäre sie womöglich heute noch, wenn sich im Dezember 2003 nicht eine einmalige Chance ergeben hätte.
„Damals hatte ich die Möglichkeit, die Assets der von meinem Vater gegründeten und später verkauften Softwarefirma zu erwerben“, berichtet die 50-Jährige, die seit Januar 2004 geschäftsführende Gesellschafterin der Weber Data Service IT GmbH ist. Mit damals 29 Jahren musste sie sich als Inhaberin einer Technologiefirma in einer von Männern dominierten Welt behaupten.
„Männer haben mich nicht ernst genommen“
Bei gemeinsamen Kundenterminen mit ihrem älteren Geschäftsführer-Kollegen habe man wichtige Fragen immer nur an ihn gerichtet. „Die Männer haben mich anfangs nicht ernst genommen – doch bald darauf haben sie gemerkt, dass dies ein Fehler war“, schmunzelt Drexhage, die solche Situationen „immer sportlich gesehen“ hat. Aus ihrer Anfangszeit als Unternehmerin stammte auch einer ihrer größten Erfolge: Die Akquisition der damaligen Rail Cargo Austria als Großkunden, der ihr unter dem Namen BEXity bis heute die Treue hält.
Man spürt, dass ihr die Aufgabe als Chefin eines mittelständischen Softwarehauses großen Spaß macht. „Es ist nicht immer einfach und es gab in den vergangenen 20 Jahren viele Höhen und Tiefen, aber ich habe den Schritt in die Selbständigkeit nie bereut“, betont die Mutter eines elfjährigen Sohnes. Schon mehrmals habe sie Übernahmeangebote von Investoren erhalten und diese dankend abgelehnt. „Ich will meine Firma nicht verkaufen. Da steckt so viel Herzblut drin und die Arbeit wird dank der ständig neuen Herausforderungen niemals langweilig“, betont der Spross einer Unternehmerfamilie mit langer Tradition.
Die großen Themen mitgestalten
Gerade die jetzige Zeit empfindet sie als besonders spannend. „Zu den großen Themen unserer Gegenwart gehören Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz. Auch der Rechtsruck in unserer Gesellschaft treibt mich um. Hier will ich als Unternehmerin mitgestalten.“ Für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz habe sie ihre Firma im vergangenen Jahr gemäß ÖKOPROFIT zertifizieren lassen. Die Abkürzung steht für "Ökologisches Projekt für integrierte Umwelttechnik" – ein Kooperationsprojekt zwischen Städten oder Landkreisen und der örtlichen Wirtschaft. ÖKOPROFIT ist Europas erfolgreichstes Projekt zur Einführung von Umweltmanagement.
Neben ökologischen Belangen begeistert sich Drexhage vor allem für Technologie – und hier speziell für künstliche Intelligenz: „KI wird unsere Branche nachhaltig verändern“, ist die vielseitige Westfälin überzeugt. In Kooperation mit der Hochschule Bielefeld arbeitet sie an KI-Lösungen für Logistikdienstleister, die bereits in die Standardsoftware von Weber Data Service integriert wurden. Schon heute könne KI Vorschläge für die Nahverkehrs-Disposition erstellen, Touren optimieren und damit nicht zuletzt auch CO2 einsparen.
Dank Home Office ist sie nur zwei bis dreimal pro Woche im Büro, wobei sie dieses Recht auch ihren 35 Mitarbeitenden einräumt. „Eigenverantwortliches Handeln und Vertrauen gehören zur DNA von Weber Data Service“, so Drexhage und ergänzt: „Bei uns zählen Ergebnisse und nicht die Anwesenheit am Bildschirm zu bestimmten Tageszeiten.“ Natürlich müsse die Erreichbarkeit für die Kunden immer gewährleistet sein. Aber dabei könne sie sich auf ihr Team hundertprozentig verlassen.
Effizient sein und Prioritäten setzen
Auf dieser Basis bleibt Drexhage noch genügen Zeit für ein erfülltes Privatleben mit Ehemann, Sohn, Hund und einem eigenen Pferd. Um dabei möglichst viele Interessen, Erwartungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen, müsse man „sehr sehr effizient sein, Prioritäten setzen und auch mal Mut zur Lücke beweisen“, erklärt die IT-Expertin.
Ihr persönliches Umfeld tut ein Übriges zum Gelingen der Freizeitgestaltung: Auch ihr Ehemann leitet ein eigenes Unternehmen und hat viel Verständnis, wenn es zeitlich mal wieder eng wird. Und ihr Sohn hat offenbar die technische Begabung seiner Mutter geerbt und begeistert sich schon heute für das Programmieren von Robotern. Ob er einmal die Softwarefirma seiner Mutter übernehmen wird, steht in den Sternen. „Ich werde ihm nichts vorgeben. Er soll den Weg für sich finden, den er gerne geht“, wünscht sich Drexhage. Genauso habe sie es ja schließlich auch machen dürfen.