Anders als der Titel vermuten lässt geht es diesmal aber eben nicht um diese Art von Energiekrise.
Das menschliche Dilemma
Vor 33 Jahren gab es einen weiteren Bericht an den Club of Rome, in dem auf eine ganz andere potenzielle Energiekrise hingewiesen wurde. In dieser stecken wir heute ebenfalls mit fatalen Folgen. Den Menschen geht die persönliche Lebensenergie verloren. Darüber wird berichtet unter den Schlagwörtern Stressfolgen und Burn Out.
Der Bericht an den Club of Rome erschien unter dem Titel "Bridging the Human Gap" oder "Das menschliche Dilemma: Zukunftschance Lernen." Als menschliches Dilemma wurde hier verstanden die Diskrepanz zwischen der zunehmenden Komplexität und Dynamik in unserem Lebens- und Arbeitsumfeld und der gegenüberstehenden Entwicklung von Fähigkeiten mit dieser umzugehen. Damit wird klar, es handelt sich um ein Wohlstandsproblem. Burn Out ist eine Wohlstandskrankheit. Komplexität wird geprägt durch Vielfalt und Vielfalt ist ein Indikator für Wohlstand. Wohl bemerkt für Wohlstand und nicht für Wohlbefinden. Die großen Weltgesundheitsorganisationen definieren mentale Gesundheit als das subjektive Empfinden der Menschen, ihr (Arbeits-)Leben selbst gestalten zu können. Dieses scheint ihnen zunehmend abhanden zu kommen. Es wird eine der größten Herausforderung in Gesellschaft und Wirtschaft in den nächsten Jahren. Und dies konkurrierend zu den enormen ökologischen und ökonomischen Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben.
Herausforderung für das Management
Die Koexistenz zwischen Sozial- und Leistungsorientierung ist seit Jahrzehnten unumstrittener Bestandteil der Managementlehre. Die Umsetzung in der Wirtschaft ist nicht gelungen, wenn es auch viele Beispiele guter Praxis gibt.
Im Folgenden sollen Potenziale aufgezeigt werden, wie Management sich verändern könnte mit dem Ziel, die mentale Gesundheit der Menschen im Unternehmen zu schützen.
Der Ökonom und Managementberater Rainer Weichbrodt unterstützt Unternehmen, die eine nachhaltige Unternehmenspolitik umsetzen wollen. Nachhaltig heißt in diesem Kontext die gleichzeitige Umsetzung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele. "Die ökonomische Betrachtung ist dabei für uns Stand der Technik, dies leisten wir wie tausende andere Beratungsgesellschaften. Wie aber Unternehmen Humanität und Umweltorientierung als Treiber ihres Erfolges nutzen, grenzt uns von der Masse ab", so der Managementexperte Weichbrodt, der 2003 von der Financial Times Deutschland zum Wissensmanager des Jahres ausgezeichnet wurde.
Das richtige Maß an Vielfalt
Ein Erklärungsmuster für das menschliche Dilemma, also dem Mangel an Fähigkeiten mit Vielfalt umzugehen, bot bereits William Ross Ashby in seinem Buch "Einführung in die Kybernetik" von 1959.
Ashby's Gesetz der adäquaten Vielfalt auf unser Dilemma angewendet bedeutet, dass wir entweder auf die Vielfalt und damit Wohlstand freiwillig verzichten oder unsere eigene, also die menschliche persönliche Vielfalt erhöhen müssten. Zurück auf die Frage der Energieressourcen der Menschen. Welche Energiequellen haben Menschen, und welche können oder dürfen sie nutzen? Die positive Nachricht: Es gibt diese Energiequellen und sie sind erneuerbar und damit nachhaltig. Die schlechte Nachricht: Die Fähigkeit diese Energiequellen zu nutzen war meist nicht Gegenstand unserer Erziehung oder Bildung. Und das bisschen was wir retten konnten wird oft durch schlechte Managementpraxis in der Wirtschaft vernichtet.
Die erneuerbaren Energien als Quellen des Wohlbefindens
Die Basis der Erklärungen stammen aus den östlichen Weisheitstraditionen, die insbesondere in der Medizin eine große Rolle spielen. Die nun dargestellten 7 Energiequellen lassen sich im menschlichen Körper verorten. Sie muten sich fast trivial an und dennoch nutzen Menschen diese Potenziale oft nicht. Diese 7 Potenzialbereiche sind ebenso übertragbar bei der Entwicklung von Teams oder Organisationen.
1. Verbundenheit spürbar machen
Der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther berichtet von den Erkenntnissen, dass neben einem wahrgenommen persönlichen Wachstum das Verbundenheitsgefühl ein wichtiges Bedürfnis des Menschen ist. Er führt dies bereits auf die Erfahrungen in der embryonalen Phase zurück.
Haben Mitarbeiter dieses Verbundenheitsgefühl, dann schöpfen sie daraus Energie für ihre Arbeit. Informiertheit, Transparenz und Partizipation sind hier Elemente, die Führung nutzen kann, um eine solche Verbundenheit zu erzeugen. Oftmals gibt es informelle Verbindungen im Unternehmen, die es nicht nur zu akzeptieren sondern auch zu nutzen gilt.
2. Leidenschaft fördern
"Geht raus und habt Spaß." so ein Fußballtrainer vor dem Spiel. Kein leerer Spruch, sondern authentische Einstellung einer Führungskraft, die es begriffen hat. Manager, die sich als Spaßbremsen geben, sind out. Punkt.
3.Selbstkontrolle kultivieren
Man kann Menschen nicht motivieren. Man kann vermeiden sie zu demotivieren und ein Umfeld schaffen, in dem sie sich selbst motivieren, so der Motivationsexperte Prof. Reinhard Sprenger. Viele Manager haben sich nicht unter Kontrolle. Sie missbrauchen oft ihre Positionsmacht, um Mitarbeiter in Angst und Schrecken zu versetzen. Hat man gelernt, wie es anders geht, ist dies ein wunderbares Gefühl, das Kraft gibt. Jeder der mal die Selbstkontrolle verloren hat wird sich an das schlechte Gefühl erinnern, das er selbst dabei hatte. Das raubt Energie.
4.Herzlichkeit leben
Das ist nun ein Thema, das im Management fast völlig tabuisiert wird. Dabei ist dies schon trivial, denn jeder kennt das Gefühl aus dem Privatleben. Die Kraft durch das Geben und Nehmen menschlicher Zuwendung ist spürbar hoch. Leider ist es so, dass oft Manager wegen ihrer Empathiefreiheit eingestellt werden und scheinbar, meist nur bei kurzfristiger Betrachtung, so erfolgreich sind. "Du hast nicht geleistet, dann hab ich dich nicht mehr lieb!" Disharmonie und offener Entzug von Zuwendung raubt Energie. Prof. Otto Scharmer hat mit seiner Theorie U ganz bewusst auch den Gefühlen von Menschen im Wandel Rechnung geschenkt. Es werden zunehmend mehr, die dieser Erkenntnis folgen.
5. wertschätzend kommunizieren
Eine offene, ehrliche und wertschätzende Kommunikation gibt Energie. Der Ansatz der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg ist ein Ansatz, der auch in der Mitarbeiterführung genutzt werden kann. Nach Rosenberg wäre selbst Loben Gewalt, weil der Lobende sich wertend über den Gelobten setzt. Die Regel " der Lauteste hat Recht" gibt es nicht. Führungskräfte sollten Strafandrohungen vermeiden, sie sind keine Richter.
6.Wissensentwicklung gestalten
Wissen versorgt uns mit Energie. Wir bekommen dadurch die Fähigkeit unser Arbeitsleben zu gestalten. Wissen muss ständig erneuert werden. Bildung ist Investition in die Zukunft. Menschen können so ihr persönliches Wachstum spüren. Zur Bildung gehört aber auch die Entwicklung von inter- und intrapersonellen Kompetenzen, um mit einem ganzheitlichen Menschenbild, persönliches Wachstum auf allen sieben Ebenen des menschlichen Potenzials zu gestalten.
7.ethisch handeln
Werte sind der Ursprung von Verhalten. Wertekonflikte rauben Energie auf allen Ebenen. Der offene Dialog darüber ist wichtig. Eine Gemeinschaft braucht belastbare Erwartungen darüber wie man miteinander umgeht. Dabei muss eine Wertevielfalt gar nicht schädlich sein. Sie darf aber nicht so sehr differieren, dass sie einen wertschätzenden Umgang ausschließt.
Führung neu verorten
Führung hat die Chance, die Energiepotentiale von menschlicher Vielfalt zu erkennen. Es bedarf eines holistischen und positiven Menschenbildes. Achtsamkeit und Demut helfen dabei, den Menschen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich selbst aus ihrer Energiekrise retten können. Erfolg wird dann nicht nur möglich, er wird sogar mühelos möglich.
Rainer Weichbrodt begleitet mit dem Management Institut Dortmund Unternehmen auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit. "Dortmund ist der beste Ort, um zu zeigen wie man freudvoll erfolgreich ist", so der Organisationsentwickler mit einem Augenzwinkern. Über die letzten zwei Jahre hat er die Interviews der BVB Führungsriege Watzke, Zorc und Klopp studiert. Nach seiner Einschätzung zeigen sie vorbildlich, wie Führung erfolgreich funktioniert. Sie ist menschlich, kooperativ, achtsam, demütig aber auch klar ihrer Potenziale bewusst. Sie schützen das Wohl ihrer Mitarbeiter. Diese haben keine Angst vor dem Verlieren sondern Spaß am Siegen.
Führung muss meist gar nicht den Erfolg gestalten. Sie muss nur zulassen, dass er geschieht. Aber auch für Führungskräfte gilt: Geht raus und habt Spaß!