Prinzipiell kann die Anlage überall vereisen, besonders bei Eisregen. Hierbei entstehen aber meist nur dünne Eisschichten. Im laufenden Betrieb ist häufig die Bildung von Eis auf der Vorderkante des Blattes zu beobachten. Diese Vereisung entsteht, wenn in der Luft befindliche Eispartikel zu groß sind, um von der Luftströmung um das aerodynamische Profil des Blattes herumgeleitet zu werden. Die Partikel treffen dann auf die Vorderkante und kumulieren sich zu einer Eisschicht. Je nach Dichte der Partikel, die wiederum abhängig von Temperatur und Luftdruck ist, ist das resultierende Vorderkanteneis unterschiedlich dicht. Dieses Vorderkanteneis ist die größtmögliche Konzentration von Eismasse pro Fläche und damit Eisdicke, weshalb sich die konservativen Modelle von BLADEcontrol® auf genau diese Konzentration beziehen.
Zwischen welchen Graden von Vereisungen wird unterschieden und welche klimatischen Bedingungen müssen dafür jeweils herrschen?
Eis entsteht meist bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Bei Temperaturen weit unterhalb des Gefrierpunktes ist sehr wenig Feuchtigkeit in der Luft, so dass nur wenig Eis entstehen kann. Die Bedingungen für Vereisung hängen von vielen Parametern ab. Da sich insbesondere die Partikelgröße nicht messen lässt, ist Vereisung auch nicht immer vorhersagbar.
Welche Probleme bringen Vereisungen bei Rotorblättern – wie sie an Windkraftanlagen zu finden sind – mit sich?
Vereisung auf der Vorderkante verändert das aerodynamische Profil der Rotorblätter. Dies verringert den Energieertrag. Dabei reagieren unterschiedliche Rotorblattprofile auch unterschiedlich sensibel auf Vereisung.
Zusätzlich besteht die Gefahr von Eisabwurf im laufenden Betrieb. Dieser gefährdet die Umgebung und ist deshalb in der Regel untersagt. Auch die Anlage selbst wird durch den Eisabwurf gefährdet: Das Eis kann das nachfolgende Rotorblatt treffen und schädigen. Zudem bedeutet ungleichmäßiger Eisabwurf eine Unwucht im Antriebsstrang der Anlage, welche die Lasten erhöht und die Lebensdauer verringert.
Welche Konsequenzen für die wirtschaftliche Rentabilität einer solchen Anlage gehen damit einher?
Vereisung senkt den Ertrag der Anlage durch verminderte Leistung und steigende Stillstandszeiten. Je nach Standort hat die Art der Eisdetektion einen wichtigen Einfluss auf diese Stillstandszeiten und kann die Rentabilität des gesamten Projektes verringern.
Welche Gefahren entstehen durch die Vereisung für Menschen?
Kritisch ist die Vereisung besonders an den Rotorblättern, da durch die hohen Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h an der Blattspitze hohe Wurfweiten erreicht werden können. Die älteste und wahrscheinlich konservativste Formel, nach der die theoretische Wurfweite das Eineinhalbfache der Summe aus Nabenhöhe und Rotordurchmesser beträgt, stammt aus Zeiten, in denen Anlagen wesentlich kleiner waren als heute. Ob diese Formel bei doppelt so hohen Anlagen noch Bestand hat, ist unklar. In jedem Fall aber ist der Gefahrenradius bei sich drehenden Anlagen wesentlich größer als bei stehenden Anlagen, weshalb Genehmigungsbehörden in Deutschland den Betrieb von Windenergieanlagen bei signifikanter Vereisung untersagen. Signifikant heißt hier: sobald die Eisdicke eine Gefährdung für die Umgebung darstellt. Dies wird in der Regel ab einer Eisdicke von 1,5 bis 2 Zentimetern unterstellt.
Welche Lösungen bietet Weidmüller, um der Vereisung von Rotorblättern vorzubeugen?
Das Rotorblatt-Überwachungs-System BLADEcontrol® bietet die Möglichkeit, Vereisung der Rotorblätter zu erkennen und die Anlage abzuschalten, bevor Eiswurf die Umgebung gefährdet. Verhindern kann das System die Vereisung aber nicht aktiv. Je nach Umgebung der Anlage und klimatischen Bedingungen kann es sinnvoll sein, die Anlage bei beginnender Vereisung anzuhalten, um weitere Vereisung zu verhindern. Erst nach Änderung der äußeren Bedingungen wird die Anlage dann wieder zugeschaltet. Standard in Deutschland ist allerdings die automatische Signalisierung ab einem Grad der Vereisung, der die Umgebung gefährdet. Der besondere Vorteil des Systems im Vergleich mit auf dem Maschinenhaus erfolgenden Vereisungsmessungen ist, dass die Vereisungsmessung nach der Abschaltung der Anlage, also im Stillstand, weiterhin erfolgt. Dadurch kann die Anlage automatisch wieder anlaufen, wenn das Eis abgetaut oder abgefallen ist. Bei anderen Detektionssystemen muss nach Meldung der Eisfreiheit die Anlage visuell auf Eisfreiheit der Blätter inspiziert und manuell vor Ort wieder in Betrieb genommen werden, was die Stillstandszeiten signifikant vergrößert.
Ist BLADEcontrol® für alle Windkraftanlage-Typen geeignet? Wo wird das System installiert?
BLADEcontrol® ist herstellerunabhängig. Die wichtigste Voraussetzung für die Installation ist eine Spannungsversorgung in der Nabe. Dies ist bei allen modernen Anlagen gegeben und nur bei einigen Typen der Sub-Megawatt-Klasse nicht vorhanden. Außerdem müssen bestimmte Betriebsdaten der Anlage wie beispielsweise Windgeschwindigkeit, Leistung und Pitchwinkel an BLADEcontrol® übertragen werden können. Beschleunigungssensoren auf der Innenseite des Rotorblattes messen die Signale. In der Nabe laufen diese anschließend zusammen und werden von dort über WLAN oder Schleifring an eine Auswerteeinheit übermittelt. Von dort besteht eine Verbindung zur Anlage, über die Messergebnisse und Anlagendaten ausgetauscht werden.
Wie genau funktioniert die Eisdetektion? Welches Messprinzip liegt dabei zugrunde und wie können unterschiedliche Vereisungsgrade festgestellt werden?
Eisansatz erhöht die Masse des Rotorblattes. Bei größerer Masse verlangsamen sich die Eigenschwingungen jedes elastischen Körpers und daher auch die des Rotorblattes. Dabei ist die relative Frequenzänderung umgekehrt proportional zur relativen Masseänderung. Diese Veränderung misst BLADEcontrol®. Das System ist sensitiv genug, um Vereisungen detektieren zu können, die weit unterhalb der Gefährdungsgrenzen liegen. Durch die Proportionalität kann unter Annahme einer Masseverteilung auf dem Rotorblatt eine Masseänderung und damit eine Eisdicke abgeschätzt werden. Entspricht die tatsächliche Verteilung des Eises auf dem Blatt nicht der angenommenen Verteilung (z. B. bei Eisregen), schaltet die Anlage schon bei geringeren Eisdicken ab, als dies aus Sicherheitsgründen notwendig wäre. Gleichwohl ist die Abschaltung zur Vermeidung von Unwucht an der Anlage aber auch in diesem Fall sinnvoll.
Welche Befehle kann das System an die Anlagensteuerung weitergeben?
BLADEcontrol® sendet ausschließlich Signale an die Maschinensteuerung. Die Reaktion der Anlage auf diese Signalisierungen liegt damit in der Verantwortung des Anlagenbetreibers. Die Signalisierung umfasst standardmäßig Vereisungszustände wie leichte Vereisung und starke Vereisung, Meldungen über die Funktionalität des Systems, der Schnittstelle, des Netzwerks und weiterer Parameter. Sofern die Rotorblatt-Überwachungsfunktionen auf Schäden bestellt wurden, werden auch im Falle starker Schäden Signale übermittelt, auf welche die Anlage mit Abschaltung reagieren kann. Der Umfang der Signalisierung kann auf Kundenwunsch angepasst und erweitert werden, z. B. auf die Übermittlung des Eisindex, der einen exakten Aufschluss über den Grad der Vereisung gibt.
Gibt es Zahlen, die die gestiegene wirtschaftliche Rentabilität einer Windkraftanlage durch den Einsatz von BLADEcontrol® belegen?
Im Vergleich zu Messungen der Vereisung am Maschinenhaus senkt BLADEcontrol® die Stillstandszeiten um bis zu 80 Prozent, wie Messungen an Windkraftanlagen ergeben haben. Dies kann je nach Standort dazu führen, dass sich die Umrüstung schon in einem Winter bezahlt macht. Bei der Rotorblatt-Überwachung auf Schäden kann BLADEcontrol® durch die Erkennung der Schäden im Initialstadium die Blattreparatur erheblich günstiger machen. Wir haben auch nachweisen können, dass Rotorblatt-Überwachung Blattbrüche vermeiden kann. Dadurch können Kosten in sechsstelliger Höhe vermieden werden.
Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten gibt es für das System außerhalb von Windkraftanlagen? Gibt es hierzu Forschungen oder Weiterentwicklungen?
Eigenschwingungsanalysen können in vielen Bereichen sinnvoll angewandt werden. WMS konzentriert sich allerdings auf den Windbereich. Hier liegt unser Augenmerk primär auf der Erweiterung der Funktionalität des Systems in zwei Richtungen: Einerseits könnten zukünftig auch Türme und Fundamente sinnvoll mit dieser Technik überwacht werden, andererseits werden durch eine Erweiterung der Sensorplattform zusätzliche Auswertungen ermöglicht, die sich darauf fokussieren, den Ertrag der Anlagen zu steigern. Ansätze sind hierfür die Erkennung von Schräganströmung – das bedeutet, dass die Analge nicht optimal im Wind steht –, Pitchfehlern und Masseunwucht sowie aerodynamischer Unwucht.