Herr Bauerkämper, welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in Deutschland und auch international aktuell im Bereich Windenergie?
Die Welt schaut auf Deutschland als Pionier der Energiewende – zum Teil natürlich auch kritisch, weil sie auch die Fehler sehen, die begangen wurden. Rund um den Globus steigt seit Jahren das Interesse an erneuerbaren Energien, insbesondere an Windenergie als unerlässlicher Bestandteil der Energiewende. 2016 wurden weltweit neue Anlagen mit einer Leistung von 54 Gigawatt installiert – damit stieg die gesamte Leistung auf etwas unter 500 Gigawatt. Dabei ist die Windenergie mit großen Projekten inzwischen in nahezu allen Ländern der Erde angekommen und die Internationalisierung stellt die Beteiligten vor große Herausforderungen. Die bereit etablierten Märkte zeigen verhaltenes Wachstum, sind aber bezogen auf die absolut installierte Leistung weiter weit vor. Hier ist insbesondere China zu nennen: Zwar beträgt der Anteil der Windenergie dort erst knapp vier Prozent, allerdings wurden hier mit knapp 23 Gigawatt mehr als ein Drittel der neuen Leistung errichtet. Das global große Interesse an der Windkraft merken wir auch an den Anfragen unserer Kunden, die sich für die Technologiekompetenz aus Deutschland interessieren und sich gezielt über unsere Lösungen für den Windbereich informieren. In Deutschland erkennen wir den Trend, dass die Betreiber die bestehenden Windparks optimieren und so die Erträge erhöhen möchten. Die weitere Digitalsierung wird eine wichtige Rolle spielen. Ergänzend ist festzustellen, dass die Wettbewerbsintensität zugenommen hat und in allen Märkten ein hoher Kostendruck auf den Marktteilnehmern lastet.
Welche Trends erwarten Sie für die diesjährige Husum Wind?
Energiepolitisch gesehen ist zurzeit ein Thema stark in der Diskussion: nämlich die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren, was stark in Richtung LCOE (Levelized Cost of Energy) geht. Das wird sicherlich bei vielen Ausstellern auf der Messe diskutiert. Schließlich lastet wie erwähnt ein großer Druck auf den Herstellern und Betreibern, Energie durch Windstrom kostengünstig zu produzieren. Und im Endeffekt geht es bei diesem Ausschreibungsverfahren um nichts anderes. Wer den geringsten Preis für die Terrawattstunde anbietet, gewinnt ein Projekt. Diese Maßnahme wurde von der Bundesregierung über die Bundesnetzagentur vorangetrieben, um die Ausbauziele fassbar zu machen und zu begrenzen.
Technologisch wird das große Thema Condition Monitoring eine Rolle spielen und davon abgeleitet angepasste und individuelle Wartungskonzepte. Ein weiterer Trend geht Richtung Data Analytics, der Bewertung von großen Datenvolumina und deren gegenseitigen Korrelationen. Wenn man so will, kann man hier auch von „Wind 4.0“ statt allgemein Industrie 4.0 sprechen. Die Digitalisierung macht sich auch in dieser Branche stark bemerkbar. Dadurch rücken die Anlagenperformance, Anomalieerkennungen und Predictive Maintenance sicherlich nochmal in den Vordergrund.
Welche Rolle spielt dabei die Datenanalyse?
Die immens großen Daten zu erfassen und zu speichern ist ja heute vielfach bereits Standard. Im nächsten Schritt müssen diese effizient und gezielt auf Problemstellungen hin von Data Scientists mittels spezieller Verfahren und Algorithmen analysiert werden. Ziel ist es, Anlagenstillstände, Unregelmäßigkeiten, Anlagenunterschiede oder Qualitätsabweichungen in bestimmten Chargen von Maschinen weit im Voraus zu erkennen und möglichst im Vorfeld zu reagieren. Die Analyse dieser Daten erfolgt im ersten Ansatz nicht rein ingenieurtechnisch, sondern man untersucht in einer statistischen Analyse einen Datenpool, der über einen längeren Zeitraum entstanden ist und stellt Vergleiche an. Werden Unregelmäßigkeiten entdeckt, weiß man also zunächst nicht unbedingt, woher diese rühren. Die Untersuchungen hierzu folgen dann in einem nächsten Schritt. Im Vergleich zum klassischen Condition Monitoring, wo es ja um die permanente Überwachung des „Ist-Zustands“ einer Maschine geht, werden nun ganze Datenpools und über die Jahre gewachsenen "Big Data" angezapft und für die Zukunft auswertbar gemacht.
Was hat sich in diesem Themenbereich bei Weidmüller im letzten Jahr getan?
Wir sind bereits tief in das Thema Analytics eingestiegen. Inzwischen haben wir einige Data Scientists in unserem Team und sind somit in der Lage, besagte Auswertungen vorzunehmen. Wir bekommen die Datensätze unserer Kunden zugeschickt und analysieren diese. Die Kunden erwarten fundierte Informationen über Schwachstellen, Ursachen und Möglichkeiten der Nachbesserung. Analytics stellt für uns bei Weidmüller einen wichtigen Aspekt im Bereich Digitalisierung dar. Weitere neue Lösungen aus diesem Bereich werden wir auch auf der Husum Wind zeigen.
Welchen Vorteil sehen Sie durch den frühzeitigen Einstieg Weidmüllers in das Thema Data Analytics?
Wir haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Firmen, die rein von der IT-Seite aus arbeiten: Wir können die Data-Science-Ebene, die andere Wettbewerber sicherlich auch bieten können, mit dem Applikations-Know-how aus Windkraftanlagen verbinden. Zudem sind wir eng mit den Anlagenlieferanten vernetzt.
Welche weiteren Themen dürfen wir bei der Husum Wind erwarten?
Sicherlich mit im Mittelpunkt steht der Offshore-Sektor. Stichwort Floating Platforms, also Windkraftanlagen, die auf schwimmenden Fundamenten errichtet werden. Diese werden dann auf See verankert und erschließen so ganz neu Windenergie-Offshore-Standorte in tieferen Gewässern. Außerdem herrschen auf offener See natürlich die besten Windverhältnisse. Zusammengebaut werden die schwimmenden Anlagen im Hafen und von dort aus zu ihrem Einsatzort geschleppt. Für Weidmüller ist diese Technik interessant; salopp formuliert: Wenn man ein „Floß“ hat, auf dem eine millionenschwere Investition steht, sollte das Floß eine Steuerungstechnik-und Regelungstechnik habe, damit die Technik auf freier See sicher beherrschbar bleibt. Elektrotechnik, Elektronik und Automation werden bei dieser Zukunftstechnik also eine wichtige Rolle spielen.
Weiterhin geht ein Trend in Richtung von "Smart Turbines". Wenn man die Leistungen von Windkraftanlagen der letzten zehn Jahre vergleicht, sind aus 2 Megawatt-Anlagen mittlerweile 6-8 Megawatt-Anlagen geworden, indem man die Anlagenteile hochskaliert. Die Möglichkeiten nach dieser Methode noch höher und größer zu bauen, ist allerdings inzwischen wohl an seine Grenze gestoßen. Also muss es neue Konzepte geben, zum Beispiel zur Lastenreduzierung, zu neuen Materialien, Getriebe- und Großanlagenkonzepte. Durch den Einbau von Lasterkennungstechnik in der Stahlkonstruktion oder in den Rotorblättern kann man Überlastungen durch entsprechendes Entgegenwirken der Windkraftanlage vermeiden und statt der "auf Sicherheit" ausgelegten Dimensionierung könnte man bei vielen Anlagenteilen "smarter" und damit auch kostengünstiger werden.
Wie sieht abschließend Ihr Fazit der letzten Jahre aus?
Die Windindustrie hat in den Jahren enorme Fortschritte gemacht, aber trotzdem bleiben die technische Weiterentwicklung und die Marktentwicklung sehr spannend und herausfordernd. Es ist eben eine immer noch eine junge und somit dynamische Industrie. Wir freuen uns, diese Entwicklung weiter zu begleiten und mit innovativen Ideen zum Erfolg beizutragen. Die Husum Wind bietet dazu ein ideales Forum.
Weidmüller – elektrische Verbindung, Übertragung und Wandlung von Energie, Signalen und Daten im industriellen Umfeld. – Let’s connect.
Zusätzliche Informationen: www.weidmueller.com
Stichwort: Weidmüller: Lösungen für Windenergieanlagen