Das Thema Parken ist Städten bislang meist eine lästige und unangenehme Angelegenheit. Denn die meisten verbinden damit vor allem die lange Suche nach geeigneten Parkplätzen am Straßenrand – die wiederum urbane Freiflächen blockieren und somit eine große Beeinträchtigung für den städtischen Raum darstellen. Und wenn der ruhende Verkehr in Zukunft aus dem Stadtbild verschwinden soll, wird es unvermeidbar, darüber nachzudenken, wie wir stehende Fahrzeuge in Zukunft in den urbanen Alltag integrieren möchten. Heller ist der Meinung, dass es bessere Lösungen gibt als platzfressende Parkbuchten auf der Straße oder ressourcenintensive Tiefgaragen mit weiten Wegen unter der Erde.
Parkraum integrieren, Quartiere beleben – ein visionärer Lösungsansatz für zwei zentrale Herausforderungen der Stadtentwicklung
Auch wenn das eigene Auto in der Großstadt von morgen eine immer kleinere Rolle spielt – Carsharing, E-Scooter und E-Bikes werden weiterhin Platz benötigen. Raum ist in Metropolen eine knappe Ressource. Die Konkurrenz um die Verkehrsfläche wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Wenn Städte zukunftsfähig bleiben wollen, müssen sie Parken neu denken.
“Wir kombinieren Nutzungen und schaffen damit einen Mehrwert für alle”
Parkraum kann viel mehr sein, als eine bloße, eindimensionale Nutzfläche. Davon ist Marcel Heller überzeugt, Architekt und Gründer von Heller Designstudio: “Was wäre, wenn wir Parken als Teil Lebens mitdenken – und einen intuitiven, integrativen Parkraum mit Mehrwert schaffen? Wie wäre ein Gebäude, das am Eingang zum Wohnquartier den Individualverkehr abfängt und Nutzungen anbietet, auf die man vor oder nach dem Parken gerne zurückgreift?”, fragte Heller zu Beginn seiner Entwicklung.
Damit seine Vision Wirklichkeit werden kann, musste erst die richtige Technik gefunden werden. Mit einem automatischen Parksystem von WÖHR, das modular und oberirdisch in Gebäude integriert werden kann, hat Heller die Lösung gefunden. “Hier müssen die Autos und Fahrräder nicht mehr in miefigen Garagen unter der Erde verstaut werden. Die Nutzer*innen können ihre Fahrzeuge mitten im belebten Raum per App holen und abgegeben. Das ist besonders für Frauen auch ein Sicherheitsaspekt”, betont Heller.
Platzsparend, modular anpassbar und ressourcenschonend
Ferhan Niepelt von WÖHR Autoparksysteme hebt die Vorteile der technischen Innovation hervor: Da die Fahrzeuge automatisch von einem Liftsystem transportiert werden, seien keine Rampen, Straßen und Wege nötig. Demnach benötige man etwa 60% weniger Parkfläche. “Diesen Platz können wir für sinnhafte Nutzungen verwenden, die dem Stadtteil einen Mehrwert bieten”, so Niepelt.
“Da heute kein Verkehrsplaner die Frage wirklich gut beantworten kann, wie viel Parkflächen wir in 20 Jahren brauchen und wie diese aussehen sollen, ist die Agilität des Bauwerks ein wichtiger Vorteil”, so Niepelt. Hier könnten durch eine neue Offenheit viele Fehlinvestitionen vermieden werden.
Im Sinne der Nachhaltigkeit weist Niepelt noch auf einen dritten Vorteil hin: “Das Material der Parksysteme entspricht dem ressourcenschonenden Ansatz der Kreislaufwirtschaft. Durch die Verwendung wiederverwertbarer Materialen können sich Städte und Gemeinden auf den Weg in die Circular Economy machen”, so Niepelt.
Das Baukastensystem ist also gemäß des Cradle-to-Cradle-Prinzips aus wiederverwertbarem Metall konzipiert, schont durch die Vermeidung von Beton natürliche Ressourcen und bietet mit dem integrierten vollautomatischen Parksystem eine platzsparende und zugleich kostengünstige Unterbringung von Kraftfahrzeugen.
Parken als Anker – der Hub als Hafen
Im Auftrag von WÖHR Autoparksysteme legt Heller mit seinem Konzept eines modular genutzten Quartiers-Hub einen innovativen wie zukunftsweisenden Entwurf vor, der eine Vielzahl von Nutzungen integriert: “Wir haben eine vollautomatische Parkgarage mit additiv eingefügten Angeboten konzipiert. Die Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers sollen hier alles finden, was sie im Alltag brauchen. Während eine Paketstation und eine Radlwerkstatt inzwischen schon vielfach in Parkhäusern integriert werden, kann der Quartiers-Hub von Heller – Dank der Bauweise – viel weitreichender auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten werden. Von der Kita über das Fitness-Studio bis zum Jugendzentrum und der Skate-Anlage könnten insbesondere auch viele Angebote für Kinder und Jugendliche entstehen. Auch Kulturräume wie Kunstateliers, Kinosaal oder Bandproberäume ließen sich nach Hellers Meinung baulich sehr gut integrieren. Boulderwände im Außenbereich und die begrünte Fassade sind für Heller selbstverständlich, Gemeinschaftsflächen und Urban Gardening auf dem Dach für ein qualitätsvolles Quartier absolut erstrebenswert. Im Idealfall integriert der Quartiers-Hub auch Module für Büros und Einzelhandel – Nutzungen, die dem Sharing-Gedanken entsprechen bieten sich nach Ansicht der Planer besonders gut an.
Das bunte Leben: Kompakt und grün – auch am Stadtrand
Mit dem Konzept des Quartiers-Hub zeigt der Entwurf von Heller Designstudio, dass integrative Parkraum-Konzepte Herausforderungen lösen können, vor denen insbesondere Neubaugebiete stehen: Gerade in Stadtrandlagen ist es schwer, urbane Zentren zu schaffen, die durch eine ausreichende Fußgängerfrequenz auch tragfähige Konzepte für die Erdgeschosszonen ermöglichen. Der Quartiers-Hub ist also für neu entstehende Stadtteile besonders attraktiv – er kann als Element aber in verschiedene städtebauliche Kontexte integriert werden.
In jedem Fall entsteht eine innovative und vielseitig nutzbare Parksituation, die geparkte Fahrzeuge auf platzsparende Weise aus dem Quartier verschwinden lässt und dabei einen echten Mehrwert für Anwohner*innen und Besucher*innen schafft. Ein zukunftsweisendes Konzept, dass für eine schnell wachsende und im Wandel begriffene Metropole wie München das große Potenzial bietet, die Parksituation zu lösen und neu entstehende Quartiere zu beleben.
Frühzeitige Beteiligung in München
Ein so neuartiger und ganzheitlicher Ansatz braucht viel Austausch in der Entwicklungsphase. Deshalb ist es Marcel Heller und seinem Team von Beginn an wichtig, das Konzept bereits in dieser frühen Phase mit Nutzerinnen und Nutzern offen zu diskutieren und das bisher erarbeitete auch zu hinterfragen.
Das Münchner Innovationsnetzwerk MUNICH NEXT LEVEL hat sich zur Aufgabe gemacht, Münchnerinnen und Münchner mit verschiedenen Interessen und Hintergründen zusammenzubringen, um für Themen der Stadtentwicklung neue Impulse zu geben, Fragen zu stellen und konstruktive Kritik zu sammeln. So fand bereits ein erster virtueller Workshop mit Stakeholdern aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur statt, um das bislang noch nicht veröffentlichte Konzept des Quartiers-Hub exklusiv kennenzulernen und in einem innovativen Digital-Format partizipativ zu diskutieren.
Im Fokus der der lebhaften und konstruktiven Diskussion standen die Themen Architektur und Materialität, technische und rechtliche Aspekte sowie Quartiersentwicklung. Die Reaktionen und Impulse aus dem Plenum haben gezeigt, dass besonders der flexible, modulare Aspekt des Quartiers-Hubs für die Integration in den städtischen Raum zentral ist.
Pilotprojekt in München?
Nach Meinung von Ferhan Niepelt ist München mit seinen aktuellen Stadtentwicklungsprojekten ein idealer Ort, um ein Pilotprojekt auf den Weg zu bringen. Die zahlreichen neu zu entwickelnden Wohngebiete am Stadtrand erfüllen nach Meinung von Ferhan Niepelt viele passende Rahmenbedingungen. “Wo bisher nichts als Brachland und Acker ist, wünscht man sich attraktive Quartierszentren mit vielfältiger Infrastruktur, kleinen Läden, Freizeitangeboten und kulturellen Erlebnissen. Aus der Vergangenheit weiß man, wie schwer es ist, auf der grünen Wiese urbane Zentren zu schaffen, die von den Menschen angenommen werden”, so Niepelt.
Niepelt ist überzeugt, dass der Quartiers-Hub der Schlüssel zur Lösung sein kann: “Warum baut man das Zentrum nicht um den Verkehrsknotenpunkt, in dem Lastenräder, E-Bikes, eigene Fahrräder, Leihroller, E-Autos und private PKWs stehen? So schaffen wir in einem Wohnquartier einen Platz, der die nötige Vielfalt und Frequenz für zahlreiche weitere Nutzungen von der liebevoll geführten Manufaktur über das Nachbarschafts-Café bis zur Künstlergalerie mit gemeinsamer Werkstatt bereitstellt”, so Ferhan Niepelt.
WÖHR Autoparksysteme durfte bereits in der Vergangenheit einmal ein pionierhaftes Projekt in München realisieren, das landesweit Beachtung fand. Die erste vollautomatische Anwohnertiefgarage des Landes wurde 2006 mit WÖHR + BAUER in der Donnersberger Straße eröffnet. Ein Erfolgsprojekt, das vom Bundespräsidenten zum “ausgezeichneten Ort” der “Land der Ideen”-Aktion erklärt wurde. Der Quartiers-Hub bietet die Möglichkeit, Mobilität ganzheitlicher zu sehen und durch zahlreiche Sharing-Angebote den Verzicht auf das eigene Auto zu erleichtern. Im Workshop war man sich einig: Solche Ideen braucht das Land.