Verantwortlich für den reibungslosen Materialfluss am Standort ist Alexander Schweizer. Der Direktionsleiter und seine Mannschaft managen mit dem Filial-, Fachmarkt- und Online-Geschäft verschiedene Vertriebswege, dürfen Near-Food-Artikel, Non-Food-Artikel und Tiefkühl-Artikel bewegen, liefern Cases, Pieces und Sperrigteile aus – sowohl über LKW als auch mit der Bahn. Von ganz klein bis ganz groß: Kosmetik, Hygiene-Artikel, Waschmittel, Toiletten-Papier, Baby- und Tiefkühl-Nahrung, Elektronik-Teile, Rasenmäher, Sonnenschirme, Waschmaschinen, Fernseher, bis hin zu Möbeln.
Erfolgreiche Brownfield- / Greenfield-Installation
Damit alles wirtschaftlich, konsumentengerecht und ergonomisch abgewickelt werden kann, wurden gemeinsam mit WITRON ganzheitliche automatisierte und teilautomatisierte Logistiklösungen integriert, sowohl als Brownfield-Lösung in die bereits bestehenden Gebäude, als auch in dafür neu errichtete Logistikbereiche.
Wird einem da nicht schwindelig? „Als wir Anfang 2020 starteten war mir nicht richtig bewusst, was auf uns zukommt. Schwindelig war mir nicht, aber es sind einfach immer mehr Herausforderungen aufgetaucht, um alle Logistik-Prozesse der Migros – das sind ja die Migros-Supermärkte, aber auch die Migros-Fachmärkte sowie das Online-Geschäft – unter einen Hut zu bringen“, erklärt Schweizer.
Schweizer befindet sich im Brownfield-Gebäude: „Hier war früher alles manuell – über fünf Stockwerke verteilt. Das können Sie sich heute gar nicht mehr vorstellen.“ Der MVB-Manager steht neben der neuen Fördertechnik, die sich über die Etagen schlängelt. „Das war eine der größeren Herausforderungen, die neuen automatisierten Logistiksysteme mechanisch und IT-technisch während des laufenden Betriebes in den bestehenden Materiafluss einzubinden. Parallel dazu ist unsere manuelle Kommissionierung weitergelaufen. Denn trotz der Neu-Installation mussten wir täglich weiter ausliefern. Das war die oberste Direktive. Daher mussten manche Umbau-Aktivitäten eben auch ab und zu zurückstecken und die Terminpläne flexibel gestaltet werden. Der Betrieb hatte immer Vorrang, damit wir zu jeder Zeit pünktlich liefern konnten.“
Konsolidierung heute (teil)automatisiert und systemgesteuert
Die Herausforderung der MVB damals: Auf die fünf Stockwerke waren unterschiedliche Kommissioniermodule verteilt. „Wir hatten vor Projektstart ungefähr 10 bis 15 Kommissioniermodule und jedes Kommissioniermodul hat seine eigene Palette produziert. Die Paletten wurden dann in einer sogenannten Konsolidierung-Verdichtungszone gesammelt und jede Palette, die nicht einen entsprechenden Paletten-Füllgrad hatte, wurde verdichtet, konsolidiert. Das war ein ziemlicher organisatorischer und vor allem manueller und somit unergonomischer Aufwand. Und das alles haben wir jetzt mit der WITRON-Lösung nicht mehr, weil alle Systeme – OPM, AIO und das CPS –IT- und fördertechnisch komplett miteinander vernetzt sind. Sämtliche Kommissionier- und Konsolidierungsschritte, sowohl im Filial- als auch im Online-Geschäft, werden jetzt prozesstechnisch gesteuert und automatisiert bzw. teilautomatisiert durchgeführt.“ Bestehende Gebäudeteile, Lagerbereiche und Mechanik-Elemente wurden dabei, so weit als möglich, in den Gesamtprozess integriert.
Ganzheitlicher Prozess für Filial- und Onlinegeschäft
Schweizer nimmt uns mit auf die Reise. „Da kommt ein LKW an. Wir müssen den Prozess ablaufen, dann versteht man die Revolution in unserer Logistik.“ An der Rampe angekommen wird der LKW bereits entladen. Waschmittel. Wir haben die Avisierung im WITRON-System bereits elektronisch übermittelt bekommen, das heißt, eigentlich muss der Mitarbeiter nur noch die Palette auf die Fördertechnik aufsetzen. Auf der Fördertechnik gibt es dann eine Waage und einen SSCC-Laser.“ Der SSCC-Laser identifiziert die Palette mit Waschmittel mit 40 Packungen drauf. Die Technik überprüft das Gewicht und die Höhe der Palette und stimmt die Daten mit den vorhandenen Stammdaten ab. Dann wird die Palette eingelagert.
„Das System weiß nun, aha, Waschmittel, eine schöne Verpackung, quadratisch praktisch gut und gut zu kommissionieren“, scherzt Schweizer. Das Waschmittel geht zum OPM, wird aber vorher in einem der drei Hochregallager (HRL) zwischengelagert. „Vorzugsweise in ein HRL, welches sich in der Nähe des OPM‘s befindet. Dann wird es dort eingelagert und sobald der Bestand im Kommissionierlager kleiner als ein Tag ist, wird die Palette automatisch ausgelagert, vereinzelt und gelangt dann zu den 12 COM-Maschinen, welche das Produkt mit weiteren Artikeln aus einem Kundenauftrag filialgerecht auf Paletten oder Rollcontainer schlichten. Anschließend erfolgt die Auslieferung mit dem LKW oder per Bahn-Transport.“ Und der Homeshopping-Kunde? „Sofern der Artikel behälterfähig ist, erfolgt die Kommissionierung im AIO-System.“ Hier sind die Arbeitsplätze teilautomatisiert, die Ware wird dem Mitarbeiter direkt angedient. Der Mitarbeiter pickt für die Online-Bestellung zum Waschmittel beispielsweise noch einen Lippenstift aus dem Quellbehälter, der dann wieder zurück ins Lager fährt. „Ist der Artikel nicht behälterfähig erfolgt die Kommissionierung für die Online-Bestellung im CPS-System. Hier kommen wir später noch dazu.“
Schweizer verdeutlicht: „Das OPM ist eine vollautomatisierte Case-Kommissionierung. Die einzigen Mitarbeiter in diesem Bereich sind die, die die Folie an der Palette entfernen. Alle weiteren Prozesse im Materialfluss laufen komplett mechanisiert ab. Bei uns im System haben wir circa 5.000 Artikel im OPM. Und jetzt zum Piece-Picking-System
All-in-One Order Fulfillment (AIO): Dort wird sowohl für das Filial-Geschäft als auch für das Online-Geschäft kommissioniert. Die Artikel im AIO sind kleinvolumig und werden in einem Behälter-AKL gelagert. Und wir haben die C-Artikel im AIO. Ein Beispiel: Ein rosa Lippenstift, den man vielleicht zu Fasching mal benötigt. Der Output aus dem AIO und aus dem OPM ist über den Tag ungefähr gleich. Der große Unterschied ist, im AIO haben wir nicht 5.000 Artikel, sondern 40.000 verschiedene Artikel.“
Komplett systemgesteuertes Datenmanagement
Wichtig: Es existiert eine getrennte Bestandshaltung im OPM und im AIO, aber zwischen einer Bestandshaltung für das Filial-Geschäft und das Online-Geschäft wird datentechnisch nicht differenziert. Ein Artikel ist entweder im OPM oder im AIO. Das kann sich über das Jahr aber schnell ändern. Dann kann eine Lippenstift-Packung mit großer Nachfrage ins OPM wandern. Und auch eine angebrochene Trading-Unit wie aus dem Beispiel von Schweizer kann auf eine Filialpalette zurückwandern – automatisch. Das Datenmanagement scheint gigantisch. „Ja, aber zum Glück müssen wir da gar nicht viel machen, weil das WITRON-System das Datenmanagement komplett für uns übernimmt. Es weiß immer, welche Artikel angebrochen sind und welche nicht und die, die schon zu lange angebrochen sind und im Online-Kanal keinen Abverkauf haben, werden Richtung Filiale rauskommissioniert.“
Das Waschmittel ist kommissioniert, die Lippenstifte auch. Und wie verfährt die MVB mit den Rasenmähern, Sonnenschirmen, elektrischen Haushaltsgeräten, Möbeln oder Waschmittel in nicht behälterfähigen Größen? In den Gesamtprozess integriert ist ebenso das Car-Picking-System, in welchem mit Pick-by-Voice-Unterstützung wegeoptimiert schwere und sperrige Teile kommissioniert und bei Bedarf mit Artikeln aus dem OPM oder AIO konsolidiert werden. Sowohl für das Filial- als auch das Online-Geschäft. „Alle Prozesse sind miteinander vernetzt“, freut sich Schweizer.
Erfolgreiche Umsetzung: Hohe Flexibilität ist matchentscheidend
Für Alexander Schweizer und seine Kollegen ist die Kombination von OPM und AIO das Herz ihrer neuen Anlage und sie sind sich sicher, dass sie sowohl für ein wechselndes Sortiment als auch für mehr Nachfrage aus den Online-Kanälen gewappnet sind. „Die Anlage läuft erfolgreich. Wir haben eine sehr hohe Prozess-Flexibilität erreicht, können schnell reagieren und unsere Logistik an immer neue Herausforderungen anpassen. Und genau das ist matchentscheidend! Die Verschmelzung von stationärem Geschäft und Online-Geschäft nimmt permanent zu. Sortimente verändern sich immer schneller. Weichnachts-Aktionen und „Black Fridays“ liegen von der Pickleistung teilweise über der 10-fachen Menge eines normalen Wochentages, vor allem bei den Homeshopping-Aufträgen. Aber mit dem WITRON-System beherrschen wir diese Herausforderung.“ Darüber hinaus zeigen sich noch weitere Vorteile. „Wir konnten unsere Logistikkosten senken, sind des Weiteren auch bei den Transportkosten deutlich kosteneffizienter unterwegs und bezüglich der Paletten-Gestaltung können wir individuell auf die Wünsche unserer Filialen eingehen – bzw. gute Kompromisse finden hinsichtlich der Wünsche des Vertriebs und der Logistik. Ebenso hat sich mit der neuen Lösung die Ergonomie für unsere Mitarbeiter verbessert. Heben, tragen und umständliche Laufwege entfallen fast komplett– im Logistikzentrum und in der Filiale.“
Neue Tiefkühl-Logistik als Brownfield-Lösung
Fast hätte er es vergessen. „Wir müssen noch zur Tiefkühllogistik rüber“, macht uns Schweizer aufmerksam. WITRON hat dort das Kommissionier-System eines Wettbewerbers abgelöst und sein OPM-System in das bestehende Gebäude integriert. Der Wareneingang und Warenausgang sowie das Paletten-Hochregallager aus der Vorgänger-Lösung wurden beibehalten. Jetzt arbeiten dort 10 COM-Maschinen bei minus 25 Grad C. „Aktuell versorgen wir aus der Anlage gut 1.400 Filialen aus einem Sortiment von 2.200 Artikeln und kommissionieren an einem Spitzentag bis zu 100.000 Handelseinheiten auf Paletten und Rollcontainer. Wir können auch noch erweitern, denn das Aufschalten weiterer COM-Maschinen wurde von WITRON bereits in der Planung berücksichtigt“, lacht Schweizer. Wer einmal Champions League spielt, will die Liga unbedingt halten.
Nächste Schritte: OPM-Erweiterung am Standort Suhr geplant
In Neuendorf ist Schweizers Arbeit fürs erste erledigt. Er zieht ein Logistikzentrum weiter nach Suhr. Dort arbeitet die Migros Verteilbetrieb AG im Trockensortiment seit Mitte 2011 mit einem WITRON-OPM-System auf Champions League Niveau, beliefert gut 600 Filialen mit über 315.000 Handelseinheiten täglich. Ende 2015 wurde in das bestehende Gebäude eine automatisierte Lösung für den Frische- und Convenience-Bereich integriert, mit welcher fast 120.000 Pickeinheiten täglich kommissioniert werden. „Aufgrund des erwarteten Wachstums bedarf es einer Erweiterung der Kommissionier-Kapazität im Trockensortiment, um für unsere Kunden dauerhaft den gewohnt hohen Filial-Service zu gewährleisten und weiterhin 100 Prozent der Artikel vollautomatisch kommissionieren zu können. Daher ist die Entscheidung gefallen, 14 zusätzliche COM-Maschinen zu integrieren. 28 COM-Maschinen laufen dort bereits“.