Omnichannel: Hybride Szenarien gewinnen an Bedeutung
Für Prof. Alexander Hübner von der TU München ist die Sache klar: „Omnichannel ist ein Must Have im Handel. Wenn Sie als Retailer überleben wollen, dann müssen Sie auf allen Kanälen präsent sein.“ Hübner kennt sich aus, er forscht seit Jahren zu dem Thema. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Gestaltung nachhaltiger Lieferketten, wo er als verantwortlicher Experte den Lehrstuhl für Supply- and Value Chain Management am Campus Straubing innehat. In der Vergangenheit war das Thema Omnichannel bei traditionellen Händlern vor allem mit Sorgen verbunden. Doch die großen E-Commerce-Plattformen rüttelten eine ganze Branche wach. „Heute haben auch viele kleine Händler eigene Webplattformen und versorgen ihre Kunden“, erklärt Hübner.
Braucht es für eine Omnichannel-Strategie neue Logistikzentren? Hübner sieht eine Konzentration von Logistikzentren, wenn es um Gebrauchsartikel oder um Fashion geht. Und die Herausforderung für den Lebensmitteleinzelhandel? „Die Anforderungen an die Logistik nehmen zu. Das Filialgeschäft läuft in Cases und das Home-Shopping in Units. Des Weiteren gibt es noch Click + Collect, Drives, Pick-up-Points, etc… Das alles mit Automatisierung wirtschaftlich, flexibel und nachhaltig abzubilden wird die Herausforderung für die nächsten Jahre sein. Hybride Szenarien gewinnen deshalb an Bedeutung.“
Leistungsstarkes Retail-Netzwerk ohne Parallelwelten und autarke Silos
Dies bestätigt auch Helmut Prieschenk. „Die logistischen Anforderungen im Handel haben sich in den letzten Jahren fundamental verändert: Aus einer eindimensionalen Supply Chain ist ein mehrdimensionales Demand-Netzwerk geworden. Reichte es gestern noch aus, wenn leistungsfähige Logistikzentren möglichst viele Filialen mit einem breiten Artikelspektrum beliefern konnten, besteht heute die Herausforderung darin, auf die entstandene Komplexität im Retail-Netzwerk eine praktikable Antwort zu finden, die eine wirtschaftliche Logistiklösung für diesen Paradigmenwechsel darstellt.“
Über transparente Netzwerke spricht die Branche schon viele Jahre. Passiert ist bis dato wenig.
Aber genau diese Herausforderungen will der Geschäftsführer von WITRON mit seinem Team annehmen: Die WITRON-Antwort darauf heißt OCM – Omni Channel Machinery. „OCM steht für die Integration aller horizontalen und vertikalen Player eines Omnichannel-Netzwerks: Lieferanten, Logistikzentrum, Transport, ebenso die unterschiedlichen Vertriebskanäle Filiale, Haustüre, Click & Collect, Drives“, erklärt Prieschenk. Es gilt also, eine Plattform, ein leistungsstarkes End-to-End-Retail-Logistiknetzwerk zu schaffen, in dem alle Knoten permanent miteinander kommunizieren und sich gegenseitig optimieren. „Unwirtschaftliche Parallelwelten und autarke Silos sind tabu“.
Bei WITRON ist man also überzeugt, dass ein Omnichannel-Mothership in einem funktionierenden Netzwerk für die Lebensmitteleinzelhändler und somit für die Konsumenten weitaus attraktiver ist, als der Betrieb zahlreicher Micro-DC`s.
„Eindeutig Ja! Der zentrale Kerngedanke von OCM ist: „Leverage the lion`s share in the stream“, betont Prieschenk. Im Sinne von „Economy of Scale“ soll der Schwung des Filialgeschäfts genutzt werden, um Synergien für sämtliche Geschäftsmodelle zu generieren. „In einem leistungsstarken Omnichannel-Logistikzentrum bedarf es beispielsweise für die unterschiedlichen Vertriebswege keine separaten Wareneingänge, Bestandsführung, Produktstammdaten, Technologien, Service-Prozesse oder Manpower. Es gilt: Komplexität vereinfachen, keine Parallelwelten aufbauen, die Stärken und Volumen aus dem erfolgreichen Filialgeschäft nutzen, um das zunehmende Onlinegeschäft wirtschaftlich zu integrieren und so mit hoher Flexibilität auf eine sich verändernde Channel-Dynamik zu antworten.“ Auf die Agilität im Tagesgeschäft – heute mehr Filialbestellungen, morgen mehr Online-Bestellungen, Spitzentage, Durchschnittstage, Promotions, etc. – reagiert das Verteilzentrum in Echtzeit flexibel über die gleiche Infrastruktur.
Vorteile für Konsumenten, Lebensmitteleinzelhändler und die Umwelt
„Darüber hinaus gilt: Eine solche Lösung muss ganzheitlich sein, mit eindeutigen Vorteilen für den Konsumenten, dem Lebensmitteleinzelhändler und für die Umwelt.“ Für den Konsumenten soll die Lösung also einen Premium Customer Service generieren, für den Retailer ein wirtschaftliches Geschäftsmodell und für die Erde eine nachhaltige Logistik.
ch was ist OCM dann genau? Eine Beratungsleistung, ein Software-Tool oder ein neues Lagerkonzept? „Sowohl als auch“, erklärt Prieschenk. Die Integration von OCM beginnt mit einer gezielten Nutzwert-Analyse, welche Helmut Prieschenk „Sweat your assets“ nennt. Was ist im bestehenden Logistik-Netzwerk des WITRON-Kunden bereits vorhanden? Im nächsten Schritt gilt es festzustellen, was noch fehlt. Und schließlich geht es dann darum, alles zu einem leistungsfähigen Omnichannel-Netzwerk zusammenzuführen und dieses Netzwerk zu optimieren, mit dem Ziel, die Ware wirtschaftlich, preisgünstig und nachhaltig zum Konsumenten zu bringen, unabhängig vom Vertriebsweg – stationär oder digital.
„In Konsequenz ist OCM also eine integrierte Retail-Plattform. Darin eingebunden sind ein leistungsstarkes Omnichannel-Logistikzentrum, Schnittstellen zu allen horizontalen und vertikalen Playern und darüber hinaus ein Optimizer, der es ermöglicht, das entstandene Netzwerk nach verschiedenen Prioritäten einfach und effizient zu managen – nach Zeit, Kosten, Leistung, Transport, oder Volumen“, fasst Prieschenk pragmatisch zusammen. Hierfür will WITRON aber kein neues Tourenplanungssystem oder eine neue Bestellsoftware entwickeln und sich schon gar nicht als Dienstleister zwischen den Retailer und dessen Kunden stellen. „Wir kombinieren bestehende Technik, entwickeln gleichzeitig eine Plattform vom Lieferanten über das Lager bis zum Store oder Endkunden, schaffen Transparenz im Retail-Netzwerk und ermöglichen einen Datenaustausch zwischen allen Teilnehmern“, verspricht Prieschenk „bis zur Filiale, bis zum Endkunden“.
Lösung optimal auf Axfood abgestimmt
Einer der ersten, der das neue WITRON-Konzept nutzen wird, ist Nicholas Pettersson, Managing Director Logistik von Axfood in Schweden. „Wir dachten immer, wir finden nie ein Unternehmen, das uns unseren Traum von einem Omnichannel-Warehouse realisiert“, berichtet Pettersson. Er und sein Team suchten nach einer Kombination von Store Picking und Online Picking – und das in einem Lager. Pettersson reiste um die Welt, schaute sich viele Lagerlösungen an und baut jetzt mit WITRON sein neues Lager in der Nähe von Stockholm. „Das gab es in dem Umfang noch nie.“ Aus dem hochautomatisierten Logistikzentrum werden sowohl Axfood-Filialen als auch Online-Kunden mit über 22.000 verschiedenen Artikeln versorgt. Die Temperaturzonen reichen von plus 25°C bis minus 26°C. Ausgelegt für eine tägliche Kommissionierleistung von ca. 1,6 Millionen Pickeinheiten täglich.
Der Clou im neuen Omnichannel-Lager von Axfood: Das Onlinegeschäft greift auf die gleichen Bestände zu. Prozesse, die bei konventioneller Lagerlogistik in zwei getrennten Sektoren abgewickelt und anschließend aufwändig konsolidiert werden müssten, erledigt das System in nur einem integrierten Lagerlogistik-System, was nicht nur die Effizienz, Performance und Qualität der Kommissionier- und Packprozesse deutlich steigert, sondern auch erhebliche Einsparungen beim Invest ermöglicht. Der Wegfall des größten Teils der Konsolidierung der Online Lieferungen ist ein riesiger Vorteil für die Retailer. „Sie werden keine Standardlösungen mehr finden“, so Pettersson. „Jeder Retailer muss seinen Weg finden, seine Lösung für seinen Markt finden.“