Wittenstein selbst hätte sich auch ein Leben als Wissenschaftler, Testpilot, Arzt oder Diplomat vorstellen können. Doch seine Studienzeit an der Technischen Universität in Berlin gab den Ausschlag. "Visionen in Produkte umzusetzen" wurde sein Ziel. "Ich freue mich, wenn ich Menschen begeistern kann, mit anzupacken, um Visionen zu realisieren."
Innerhalb weniger Jahre hat WITTENSTEIN AG zum Spezialisten für individuelle Servoantriebssysteme und spielarme Getriebe entwickelt. "Unser zukünftiger Markt ist die ganze Welt", betont der Firmenchef. "Wir müssen uns einem so großen Markt stellen, weil sich unsere Kunden global orientieren und neue Kunden weltweit in das Marktgeschehen eingreifen." Die grundlegende Ausrichtung auf intelligente mechatronische Antriebssysteme sowie die Verschmelzung von Mikro- und Makrotechnologien sind Grund dafür, dass zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert werden und zwölf Prozent der Mitarbeiter auf diesem Gebiet tätig sind.
Dass das Unternehmen mit seinen Ideen richtig liegt, be-weisen die Zahlen: Die WITTENSTEIN Unternehmensgruppe hat in den letzten zehn Jahren durchschnittlich ein zweistelliges Umsatzwachstum pro Jahr erreicht. 2005/2006 konnte der Mechatronik-Spezialist seinen Umsatz um 14,8 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 133 Millionen Euro steigern. Für 2006/2007 liegt der Umsatz bei über 150 Millionen Euro. Die Getriebetechnik bringt gut zwei Drittel des Umsatzes. Hinzu kommen Servomotoren, Elektronik und Antriebssysteme, die WITTENSTEIN in 50 Tochterunternehmen und Vertretungen in 42 Ländern vertreibt. Die Exportquote liegt bei über 60 Prozent. Auch die Einstellung des 1000. Mitarbeiters belegt den Erfolg, denn ein Jahr zuvor lag diese Zahl noch bei 908. Und es gibt eine Rekordmeldung in der Ausbildungsbilanz: Erstmals erhalten zurzeit 100 junge Menschen ihre berufliche Qualifikation bei WITTENSTEIN und zum Start des neuen Ausbildungszyklus werden 50 neue Auszubildende und Studenten eingestellt.
Neue Mitarbeiter erwartet ein Arbeitszeitmodell, das der Betriebsrat zusammen mit der Firmenleitung entwickelt hat. Die Belegschaft kann die Schichten selbstverantwortlich planen und damit im Team auf Stoßzeiten oder private Termine reagieren. Allerdings sind auch die Pflichten für die Mitarbeiter ungewöhnlich. „Jeder, der bei uns anfängt, muss kommunikativ sein, sich engagieren und lernen, sich und seine Arbeit zu präsentieren. Er muss begreifen, dass die Unternehmensgruppe Geld verdienen muss, um weiter zu wachsen.“
Der Mitarbeiter als Mensch steht für den Firmenchef, der am morgigen Sonntag 65 Jahre alt wird, immer im Mittelpunkt. Er sucht die Begegnung mit seinen "Leuten" auf gleicher Höhe - Auge in Auge -, und diese Wertschätzung spürt man beim Gang durchs Unternehmen und im Umgang miteinander. Ein Unternehmen zu schaffen, das für viele Familien eine sichere Lebensgrundlage bietet, ist eines der Ziele Manfred Wittensteins. Jedes Jahr veranstaltet die WITTENSTEIN AG als Dankeschön für die Leistungen aller, insbesondere der Familien, die im Hintergrund wirken, ein großes Sommerfest, immer unter wechselndem Motto.
Doch nicht nur das. WITTENSTEIN fördert Künstler der Region und veranstaltet regelmäßig Ausstellungen im Unternehmen. Zurzeit zeigt die Ausstellung „Elektrotechnik und Kunst“ Werke eines Berufschullehrers aus Bad Mergentheim.
Manfred Wittenstein ist Stifter und Initiator von „Debut“, des europäischen Nachwuchswettbewerbs für Opernsänger. „Wir wollen damit zeigen, dass Leistung und Ausdruck von Lebensfreude eng miteinander verbunden sind“. Und damit es nicht an kreativem Nachwuchs mangelt, vergibt er Stipendien für Abiturienten des Deutschorden-Gymnasiums in Bad Mergentheim, wo er einst selbst die Schulbank drückte.
Der Firmenlenker vermittelt jedem seiner Mitarbeiter das Gefühl, dass er so wichtig ist wie der Chef selbst. Wittenstein will erreichen, dass seine Mitarbeiter Arbeiten und Leben als Einheit sehen. "Ich glaube, Familienunternehmen müssen auf jeden Fall das Gefühl der Solidarität entwickeln. Das, was die Familie ausmacht und im Unternehmen darstellt, ist das Füreinandereintreten. Für uns heißt das: weniger Shareholder Value und nicht ausschließlich Orientierung an rein ökonomischen Daten. "Diese Firmenkultur - die Art der Mitarbeiterführung und des Zusammenarbeitens – führt jährlich nicht nur zu neuen Rekordergebnissen. Alle sollen ihre Potenziale so weit wie möglich entfalten. So gibt es nicht nur einen Fitnessraum, einen Beachvolleyball- und Grillplatz, eine Bibliothek oder wechselnde Kunstausstellungen im Haus. Auch die Aus- und Fortbildung nimmt einen hohen Stellenwert im Unternehmen ein. Für alle Mitarbeiter werden kostenlos Weiterbildungen angeboten, u.a. in der hauseigenen WITTENSTEIN akademie. Denn Wittensteins Qualitätsanspruch verlangt hoch motivierte und gut ausgebildete Experten. Doch die Visionen des Chefs gehen weit über das Erreichte hinaus.
Wittenstein ist davon überzeugt, dass mit den Visionen der deutschen Maschinenbauer viele Probleme gelöst werden können, die die Menschen derzeit bedrücken. Dennoch wünscht er sich beispielsweise eine noch bessere Forschungsförderung an den deutschen Universitäten und eine stärkere Technikvermittlung in den deutschen Schulen.
Deshalb engagiert sich der Unternehmer in verschiedenen Verbänden und Gremien. Seine Vize-Präsidentschaft bei der IHK Heilbronn-Franken nimmt er zum Anlass, die Themen Innovation und Weiterbildung voran zu bringen. Dass ihm diese Bereiche besonders am Herzen liegen, zeigen beispielhaft seine im Mai dieses Jahres verliehene Ehrensenatorwürde der Berufsakademie Mosbach und der Wettbewerb „Junge kreative Köpfe im Taubertal“, der jungen Menschen Freude an Technik vermitteln soll. Auch auf Bundesebene ist der Unternehmer aktiv, so in der von Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan Mitte letzten Jahres gegründeten ‚Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft‘. „Ich werde meine Erfahrungen und meine Forderungen in dieses Gremium einbringen und mich dafür einsetzen, Innovationen und High-Tech-Strategien voranzutreiben. Denn wir fördern oft nicht die Experten, die wir dringend brauchen. Und wir müssen den Spitzenkräften heute und hier in Deutschland eine Chance geben, sich in einem vernünftigen, kreativen Umfeld zu entfalten, in dem sie Verantwortung übernehmen und ihre Ideen entwickeln können."
Um in Zukunft erfolgreiches Mitglied im Kreis der „Global Player“ zu bleiben, muss Deutschland sein derzeit größtes Problem überwinden, weiß Wittenstein: „Die viel zu schleppende Anpassungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft. Denn der Trend ist eindeutig: Die Halbwertzeit für Produkt- und Prozessinnovationen wird kürzer, die Geschwindigkeit nimmt immer weiter zu. Berufliche Weiterbildung und Kompetenz sind die zentralen Schlüsselfaktoren für den Produktionsstandort Deutschland.“ Dass es für Wittenstein weiter nach oben gehen wird, scheint sicher. Höhepunkt seines wirtschaftspolitischen Engagements für den Standort Deutschland stellt Wittensteins Kandidatur für die Präsidentschaft des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) dar. Manfred Wittenstein stellt sich am 5. Oktober 2007 in Hamburg zur Wahl.
Das Unternehmen
Produkte der WITTENSTEIN AG sind überall dort zu finden, wo äußerst präzise angetrieben, gesteuert und geregelt werden muss. Entwickelt, produziert und vertrieben werden unter anderem hochpräzise Planetengetriebe, komplette elektromechanische Antriebssysteme, sowie AC-Servosysteme und -motoren. Einsatzgebiete sind Roboter, Werkzeugmaschinen, die Verpackungstechnik, Förder- und Verfahrenstechnik, Papier- und Druckmaschinen, die Medizintechnik sowie die Luft- und Raumfahrt.
Die WITTENSTEIN AG geht auf das Gründerunternehmen Dewitta zurück, das seit 1949 Nähmaschinen zur Handschuhfertigung herstellte. Doch als die Handschuhe nicht mehr in Mode waren, wurde Ende der 70er Jahre das Produktprogramm umgestellt: 1984 wurde die Tochterfirma alpha getriebebau gegründet, die sich auf Spielarme Planetengetriebe und Aufzugsantriebe spezialisierte. Durch den Aufbau von zusätzlichen Kompetenzen in den Bereichen Elektronik und Software ist die WITTENSTEIN gruppe heute eine solide Basis für spezielle mechatronische Antriebssysteme geschaffen. Produkte des Igersheimer Hightech-Unternehmens sind überall dort zu finden, wo äußerst präzise angetrieben, gesteuert und geregelt werden muss. Sie werden beispielsweise in Robotern oder Werkzeugmaschinen eingesetzt. Und auch der neue Airbus A 380 fliegt nicht ohne WITTENSTEIN. aerospace & simulation heißt der Unternehmensbereich, der unter anderem aktive Steuerknüppel für Flugzeuge und Antriebssysteme für Flugsimulatoren herstellt. Zu den Innovationen gehört auch der „Marknagel“, den die Unternehmenstochter WITTENSTEIN intens entwickelt hat. Der FITBONE® steuert mit Hilfe eines miniaturisierten Antriebssystems mit integrierter Sensorik das Knochenwachstum beispielsweise bei angeborener oder durch Unfall verursachter Beinlängendifferenz. Elektromagnetische Impulse werden in den Marknagel eingegeben, der bis zu einem Millimeter pro Tag ausfährt und eine Streckungslänge bis zu acht Zentimetern erreichen kann. „85 Prozent des Umsatzes werden mit Produkten erwirtschaftet, die jünger als fünf Jahre sind“, betont der Firmenchef. „Bei uns sagt keiner, das haben wir schon immer so gemacht.“