► ‚The smarter E Europe‘ (Intersolar) in München ging dieses Jahr mit beeindruckenden Besucherzahlen zu Ende, doch stellt sich die Frage: Für wen war diese Messe wirklich ein Erfolg? Eine kritische Analyse zeigt, dass trotz des offensichtlichen Erfolgs gewisse Probleme und Herausforderungen im Raum stehen.
► Es ist unvermeidlich, dass Unternehmen Erfolgsmeldungen verkünden müssen, um erfolgreich zu sein oder zumindest so zu erscheinen. Doch allzu oft wird die Wahrheit erst dann korrigiert, wenn die Probleme nicht mehr zu leugnen sind und die Fassade zu bröckeln beginnt.
► Dieses Jahr konnte ‚The smarter E Europe‘ mit rekordverdächtigen Besucherzahlen aufwarten, und auch die Anzahl der Aussteller war so hoch wie nie zuvor. Die Messehallen in München waren überfüllt, und die klimatischen Bedingungen in den Hallen waren suboptimal. Es wird geschätzt, dass weit mehr als 110.000 Besucher anwesend waren. Schon zu Beginn der Messe kündigten die Veranstalter neue Rekorde bei den Ausstellerzahlen und der belegten Fläche an.
► Dennoch, die Informationen, die im Laufe der drei Messetage sowie beim begleitenden Konferenzprogramm diskutiert wurden, waren gemischter Natur. Der europäische Solarbranchenverband SolarPower Europe veröffentlichte seinen jährlichen Bericht „Global Market Outlook for Solar Power“ und berichtete für 2023 von einer weltweit neu installierten Photovoltaik-Leistung von 447 Gigawatt. Das entspricht einem beeindruckenden Wachstum von 87 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in dem 239 Gigawatt installiert wurden. Doch dieser Bericht zeigte auch, dass 80 Prozent des Zuwachses auf nur zehn Länder entfielen, wobei allein China 57 Prozent ausmachte. Vor allem die ärmeren Regionen der Welt werden vom Photovoltaik-Boom abgehängt, was eine ernste Herausforderung für die globale Energiewende darstellt.
► Vor der Messe veröffentlichte die Bundesnetzagentur im Mai ihre Zahlen, die weniger optimistisch aussahen. Der bisher für 2024 verzeichnete Zubau liegt mit rund 6,16 Gigawatt nur noch um 24 Prozent über dem Zubau des Vorjahreszeitraums von 4,97 Gigawatt. Besonders auffällig ist der Trend der Monatsergebnisse: Während im Vorjahr die Zahlen deutlich stiegen, kehrt sich dieser Trend 2024 um.
► Eine weitere Herausforderung stellen die sinkenden Umsatz- und Gewinnerwartungen einiger Unternehmen dar. SMA, ein bedeutender Akteur in der Branche, meldete gesenkte Erwartungen. Ebenso beunruhigend ist die Suche nach Investoren des Wechselrichterherstellers Solarnative, der 2019 hoffnungsvoll gestartet war und nun einem Notverkauf ähnelt. Hinzu kommt die Schließung der Modulproduktion in Deutschland von Unternehmen wie Meyer Burger und Solarwatt, was die schwierige Situation ebenfalls verdeutlicht.
Update: Solarnative GmbH meldet Insolvenz an
Wie am Wochenende bekannt wurde, hat die hessische Solarfirma Solarnative GmbH Insolvenz angemeldet. Grund ist fehlendes Kapital zur Skalierung ihrer Innovationen, darunter der weltweit kleinste Wechselrichter und ein neues Smart Energy System. Trotz hoher Nachfrage nach Solartechnologie konnte das 2019 gegründete Unternehmen nicht genug Investoren gewinnen. Zusätzlich belasten Dumpingpreise aus China den europäischen Markt, wodurch viele deutsche Solarunternehmen unter Druck stehen. CEO Henk Oldenkamp sucht nun nach neuen Investoren.
Viele deutsche Solarunternehmen stehen derzeit unter massivem Druck aufgrund billiger, staatlich subventionierter Konkurrenz aus China. Solarnative GmbH ist nur ein Beispiel für Firmen, die deshalb Alarm schlagen.
► Die Präsenz chinesischer Aussteller auf der Messe war dieses Jahr besonders stark. Sie stellten erstmals die größte Gruppe dar, insbesondere im Bereich der Solarmodule. Diese Dominanz steht in starkem Kontrast zu den Überkapazitäten, die derzeit für einen intensiven Preiskampf sorgen. Es ist unwahrscheinlich, dass im nächsten Jahr weitere Rekordzahlen in diesem Sektor erreicht werden.
► Ein weiterer Punkt der Kritik ist das Fehlen wirklicher Innovationen und das Ausbleiben visionärer Zukunftsthemen wie Smart City, Smart Factory oder Smart Grid. Viele der Messestände schienen aus den vergangenen Jahren wiederverwendet worden zu sein, und digitale Messekomponenten, die zu einer verbesserten Kundeninteraktion hätten beitragen können, fehlten fast völlig oder wurden im Vergleich zu den Vorjahren zurückgefahren.
► In den Chefetagen der Unternehmen gibt es seit jeher eine Debatte über den Sinn und Unsinn von Messen. Zahlreiche PV-Webinare und Online-Meetings für potenzielle Kundengespräche stehen inzwischen in direktem Wettbewerb zu den traditionellen Messen. Viele Unternehmen machen die Erfahrung, dass sie mit Online-Marketing-Maßnahmen sowie über Social Media-Plattformen wie LinkedIn oder Beiträge im PV-Magazine mehr potenzielle Kunden erreichen als in einer überfüllten und lärmenden Messehalle, wo die Gefahr besteht, dass potenzielle Kunden durch benachbarte Wettbewerber abgelenkt werden. Diese Entwicklungen sind auch für ‚The smarter E Europe‘ nicht ohne Risiko, denn die fortschreitende Digitalisierung könnte den Messebetrieb in den kommenden Jahren weiter unter Druck setzen.
► Der stetige Wandel und Weiterentwicklungen haben bereits große und erfolgreiche Messen wie CeBIT, Systems (eine bedeutende IT-Messe in München) und IT & Business (Stuttgart) das Aus gekostet. Somit steht auch ‚The smarter E Europe‘ vor der Herausforderung, sich an die digitalen Trends und veränderten Anforderungen der Kunden anzupassen.
► ‚The smarter E Europe‘ ist trotz der hohen Besucherzahlen und der zahlreichen Aussteller mit einigen kritischen Punkten konfrontiert. Die Messe war ein Schauplatz für das aktuelle Geschehen in der Solarbranche, zeigte aber auch die Herausforderungen auf, die diese Industrie zu meistern hat. Der fehlende Innovationsgeist, die Dominanz weniger Länder im globalen Photovoltaik-Boom und die wirtschaftlichen Unsicherheiten einiger Unternehmen werfen Fragen auf, wie sich diese Branche in den kommenden Jahren entwickeln wird. Die Digitalisierung und ein veränderter Kundendialog könnten der Messe in Zukunft neue Richtungen weisen und auch neue Erfolgspotenziale eröffnen. Es bleibt abzuwarten, wie ‚The smarter E Europe‘ diese Herausforderungen angehen wird, um weiterhin relevant und erfolgreich zu bleiben.
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