Wenn etwas Neues und Spannendes angesagt wird, dann stehen sich in mir zwei Verhaltensmuster gegenüber: die kindliche Neugier und der kritische Blick mit dem „Cui-bono-Tag“ (Wem-zum-Vorteil-Marker) im Hinterkopf.
Metaverse klingt so unglaublich spannend wie das Wort selbst. Es birgt etwas noch Unbekanntes und lässt uns durch die Ankündigungen von Meta (ehemals Facebook) schon ein wenig erahnen, was das alles sein könnte. Andererseits frage ich mich, woher jetzt der scheinbar plötzliche Hype um das Metaversum kommt? Da tauchen unvermittelt „Experten“ auf, als ob diese schon seit jeher nichts anderes kennen als Metaverse und auf langjährige Erfahrungen zurückblicken.
Tatsächlich aber kündigte Meta Inc. Chef Mark Zuckerberg erst im Juli letzten Jahres an, dass Facebook in den nächsten fünf Jahren zu einem Metaverse-Unternehmen werden soll. Eine Virtual-Reality-Welt, die sich „wie eine Mischung aus den heutigen sozialen Online-Erfahrungen anfühlen wird, manchmal in drei Dimensionen erweitert oder in die physische Welt projiziert“.
Was man an dieser Stelle anmerken sollte: 2014 übernahm Meta den XR-Headset-Hersteller Oculus, der laut letzter Auswertung in Q1 2021 eine marktdominierte Stellung mit einem Marktanteil von 75 % im Bereich der XR-Headsets aufweist. Es ist also im ureigensten Interesse von Meta.
Probleme und die Gründe, warum Facebook (Meta) sein Metaverse so anpreist
Es gibt aber noch weitere Aspekte, die zum Nachdenken anregen sollten. Facebook war bisher stetig am Wachsen, bis es zum ersten Mal im 4. Quartal 2021 einen Rückgang von rund einer Million Nutzer gegenüber dem vorangegangenen Quartal verzeichnen musste. Nach Bekanntwerden dieser Zahlen verlor der Facebook-Konzern daraufhin unmittelbar bis dato rund 40 % (Ende Dezember 2021 bis Anfang März 2022) seines Aktienwertes. Facebook Firmengründer Zuckerberg verwies auf die stark wachsende Konkurrenz von TikTok. Ein weiteres und schon länger bekanntes Problem ist die „Alterung“ von Facebook. Immer weniger junge Leute nutzen die Social-Media-Plattform. Diese Zielgruppe nutzt zumeist Instagram, WhatsApp, YouTube oder TikTok und sehen keine Notwendigkeit für Facebook.
Ursache für die Verringerung des Umsatzes aber war vor allem die Datenschutzänderung bei Apple, das es im vergangenen Jahr an seinem iOS-Betriebssystem vorgenommen hat. Es geht um die Auswirkungen von Apples App-Tracking-Transparenzfunktion auf die Werbebranche, die die Targeting-Möglichkeiten reduziert, indem sie Werbetreibenden den Zugriff auf eine iPhone-Benutzerkennung einschränkt.
„Wir glauben, dass die Auswirkungen von iOS insgesamt Gegenwind für unser Geschäft im Jahr 2022 sind“, sagte Dave Wehner, CFO von Meta, bei einem Gespräch mit Analysten nach dem Ergebnisbericht des Unternehmens für das vierte Quartal. „Es liegt in der Größenordnung von 10 Milliarden US-Dollar, also ist es ein ziemlich erheblicher Gegenwind für unser Geschäft.“
Passend dazu:
Facebook lebt von der personalisierten Werbung. Im Austausch einer „kostenlosen“ Kommunikationsplattform nutzt es die gesammelten Daten, um über personalisierte Werbung sein Geld zu verdienen. Rund 97 Prozent seiner Umsätze erzielte Facebook im Jahr 2021 durch Werbung. Das weltweite wachsende Bewusstsein für die eigenen Daten und Datenschutz gefährdet das zukünftige Geschäftsmodell von Facebook. Neben den aktuellen Schwierigkeiten mit dem Datenschutz in Europa zeigt auch der im Frühjahr 2021 eingeführte Tracking-Schutz von Apple, wie verwundbar das Geschäftsmodell von Facebook & Co. geworden ist.
So lässt sich auch erklären, dass bereits im Juli 2021 Mark Zuckerberg eine Veränderung von Facebook hin zu einem Metaverse verkündete. Denn in einem eigenen personalisiertem Metaversum lösen sich all die Widerstände in Luft auf, die einem Tracking und der damit einhergehenden personalisierten Werbung im Wege stehen.
Dieses Metaverse ist für Unternehmen Mist und sinnlos
Das Meta Metaverse ist also in erster Linie auf VR/AR Entertainment ausgerichtet mit dem Fokus auf unsere eigensten persönlichen Daten, Interessen und Gewohnheiten.
2020 wurde ein Marktanteil von 53 % im Consumerbereich prognostiziert. Im Vergleich zu den Bereichen Produktion, Vertrieb und andere ein beachtlicher Anteil, das vor allem und nur für Internetkonzerne interessant ist, deren Geschäftsmodelle hauptsächlich im globalen und digitalen Bereich zu finden sind.
Seit Ende 2020 läuft es mit dem Umsatzwachstum von Facebook nicht mehr so rund. Es stagniert.
▶ 'Getunter' Metaverse Hype - Sammelbecken für Trittbrettfahrer und Glücksritter?
Aus dieser Sicht ist es also nicht verwunderlich, dass nun das Metaverse als die nächste Generation des Internets angesehen wird. Wie in solchen Prozessen üblich, sind die zahllosen Trittbrettfahrer und Glücksritter nicht allzu fern und überbieten sich in diesen Hype gegenseitig mit sinnbefreiten Möglichkeiten und für den Geldbeutel gefährlichen Ankündigungen oder wirren Versprechungen.
Laut einem Medienbericht soll der Sänger Justin Bieber 1,3 Millionen Dollar gezahlt haben, um als Affe durch das Metaverse hüpfen zu können. Der Wahrheitsgehalt dahinter lässt sich nicht verifizieren, aber es ist bezeichnend, dass solche Schlagzeilen um das Metaverse kursieren.
Was noch nicht Metaverse ist, wird zum Metaverse gemacht, um im satten werbefinanzierten Medienhype mitzumischen. Dann werden z. B. einstmals als Open-World genannte Spiele wie „The Sandbox“, das ein wenig an Minecraft erinnert, in Metaverse umbenannt. Aus einer weiteren Schlagzeile in den Medien war zu lesen, dass in „The Sandbox“ ein virtuelles Grundstück für 4,3 Millionen Dollar über den Ladentisch ging. Ernstahft? Laut Wikipedia sind adidas, Warner Music Group, Snoop Dogg, Pororo, Shaun das Schaf, The Walking Dead, Atari und PwC Hongkong Partner. Auch Cameron und Tyler Winklevoss sowie die Band Avenged Sevenfold gehören zu den Investoren im virtuellen Land in The Sandbox.
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