- Prävention und Reaktion: ZF will Reisekrankheit in Kooperation mit Neurotechnologen unterdrücken, bevor Insassen reisekrank werden
- KI-Algorithmus nutzt Fahrdynamikdaten und physiologische Marker der Reisekrankheit, um eine präventive Fahrweise zu erlernen
Die wenigsten Menschen sind bei langen Autofahrten auf der Rückbank oder dem Beifahrersitz vollständig vor Reisekrankheit gefeit. Schwindel und Übelkeit machen es rund zwei Dritteln aller Passagiere schwer bis unmöglich, die Fahrt zu genießen, nebenher zu lesen oder zu arbeiten. Gerade jetzt, zum Start der Urlaubssaison, wird dies insbesondere Familien mit jungen Kindern bewusst.
ZF will dieses Problem lösen und geht dabei über einen rein fahrzeugbezogenen Ansatz hinaus: „Wir stellen den Insassen selbst und sein individuelles Fahrerlebnis in den Mittelpunkt“, sagt Florian Dauth, in der ZF-Vorentwicklung verantwortlich für Aktivitäten im Bereich Human Centered Vehicle Motion Control. „Unser Ziel ist es, die Reisekrankheit individuell zu erkennen und auf den aktuellen Zustand des Passagiers bezogene Maßnahmen zu entwickeln.“
Die wissenschaftliche Basis für dieses Konzept liefern gemeinsam mit der Systems Neuroscience & Neurotechnology Unit (SNNU) an der Universität des Saarlandes und der htw saar durchgeführte Probandenstudien, bei denen die physiologischen Reaktionen von Probanden auf verschiedene Fahrsituationen untersucht wurden. „Unsere gemeinsame Forschung mit ZF umfasst Bereiche der Neurotechnologie, Psychophysiologie, der künstlichen Intelligenz und Fahrdynamik“, erläutert Prof. Dr. Dr. Daniel J. Strauss, Direktor der SNNU. „Die jeweiligen Kompetenzen der Partner ergänzen sich perfekt im Rahmen dieser Zusammenarbeit. Die bisherigen wissenschaftlichen Resultate stießen in der internationalen Fachcommunity auf eine hervorragende Resonanz.“
Wissenschaftliche Daten geben Einblick in physiologische Prozesse
Verursacht wird die Reise- oder Bewegungskrankheit, fachsprachlich Kinetose, durch eine Diskrepanz in der Wahrnehmung: Das im Innenohr liegende Gleichgewichtsorgan fühlt eine Bewegung, die von anderen Sinnesorganen wie den Augen nicht bestätigt wird – das passiert insbesondere, wenn der Passagier konzentriert auf einen Bildschirm oder ein Buch blickt. Der menschliche Körper reagiert in dieser Situation ähnlich wie auf eine Vergiftung. Die Symptome reichen von leichtem Unwohlsein bis hin zu starker Übelkeit.
In mehreren Studien analysierten die Forscher von ZF und der SNNU im realen Straßenverkehr, welche physiologischen Marker die höchste Korrelation mit dem subjektiven Reisekrankheit-Empfinden des Menschen aufweisen und welcher Zusammenhang zur Fahrdynamik des Fahrzeugs besteht. Indikatoren dafür sind beispielsweise eine Veränderung der Körpertemperatur sowie der Hautleitfähigkeit. „Unser Motion Sickness Research Vehicle erlaubt uns, mit Hilfe eines Hochleistungsrechners die Vielzahl an physiologischen Messdaten, Kameradaten sowie auch Fahrdynamik-Messwerte aufzuzeichnen. Gleichzeitig dient das Fahrzeug als Plattform zur Entwicklung und Validierung der Algorithmen“, erklärt Dauth.
Bei mehr als zehntausend Fahrkilometern sammelte das Forschungsteam über fünfzigtausend Gigabyte an physiologischen Markern des zentralen und autonomen Nervensystems als Thermografie-, Bild- und Fahrdynamikdaten. In der Branche ist dies eine einzigartige, multimodale Datenbasis zum Thema Reisekrankheit. „Sie helfen uns, über wissenschaftliche Herangehensweise ein Verständnis für das Phänomen Reisekrankheit zu erlangen und gleichzeitig die Grundlage für KI-basierte Algorithmen zu bilden“, erklärt Dauth den Entwicklungsprozess.
Der Mensch im Fokus
Ein Sensorset im Innenraum des Fahrzeugs sowie Wearables, welche die Probanden zur nicht-invasiven Messung am Körper tragen, sind aktuell Bestandteil der Forschung. „Die Herausforderung besteht darin, ein automotive-taugliches System zu entwickeln, das über Evolutionsstufen hinweg eine kontaktfreie Erkennung der Reisekrankheit erlaubt. Wir sehen dies als Schlüsselinformation, um das sehr individuelle Phänomen der Reisekrankheit in den Griff zu bekommen“, sagt Dauth. Damit erkennt der Fahrer – oder später die Steuerung des automatisierten Fahrzeugs – frühzeitig, wenn beispielsweise einem Kind auf dem Rücksitz unwohl wird, und kann das Fahrverhalten entsprechend anpassen.
Fahrzeug erlernt selbst präventive Fahrweise
Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Fahrzeugbewegungen und besitzt ein individuelles Empfinden für Fahrkomfort. Diese Tatsache bildet ZF in einem Algorithmus ab, der basierend auf KI-Methoden die Körperreaktionen des Passagiers einlernt und somit ein personalisiertes Profil erstellt. Da somit für jeden Mitfahrer individuelle Daten vorliegen, wären automatisierte Fahrzeuge sogar in der Lage, den bevorzugten Fahrstil jedes Passagiers umzusetzen.
#MobilityLifeBalance
Mobilität stand ursprünglich für die individuelle und selbstbestimmte Freiheit eines jeden Einzelnen. Aufgrund von Staus, Emissionen, mangelnder Verfügbarkeit und Unfällen wird sie gegenwärtig jedoch immer mehr zum Stressfaktor. Das individuelle Leben ist mit gegenwärtigen Mobilitätslösungen immer schwerer in Einklang zu bringen. Mit der Themenkampagne #MobilityLifeBalance weist ZF auf dieses Ungleichgewicht hin. Gleichzeitig trägt der Technologiekonzern mit seinen Lösungen zu einem besseren und nachhaltigeren Mobilitätsangebot bei. Das Ziel ist eine saubere und sichere Mobilität: automatisiert, komfortabel und bezahlbar. Für jeden, jederzeit und überall.
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