- ZF, TU Dortmund und INGgreen forschen an Vorhersagen von kritischen Verkehrssituationen
- KISSaF-Forschungsprojekt schafft Voraussetzung für hochautomatisiertes Fahren
- Projektpartner präsentieren Zwischenergebnis
Nachdem sich teilautomatisierte Fahrfunktionen mittlerweile im Straßenverkehr etabliert haben, kommen die ersten Level-3-Systeme auf den Markt. Ab dieser Automatisierungsstufe, dem hochautomatisierten Fahren, agieren Fahrzeuge teilweise selbständig – etwa auf der Autobahn oder im Stau. Dem menschlichen Fahrer ist es dann zeitweise erlaubt, seine Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abzuwenden und sich anderen Dingen zu widmen. Zehn Sekunden beträgt die Zeitspanne, innerhalb der die menschlichen Fahrer die Kontrolle über das automatisierte Fahrzeug wieder sicher übernehmen können müssen. Zehn Sekunden, in denen eine Vielzahl von möglichen Verkehrssituationen entstehen können, die das Fahrzeug selbstständig bewältigen muss. Damit das gelingt, muss das Fahrzeug kritische Ereignisse erkennen, noch bevor sie entstehen. Dazu arbeitet ZF als Konsortialführer gemeinsam mit der TU Dortmund und INGgreen in dem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Forschungsprojekt KISSaF. „Mit KISSaF wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Sicherheit beim automatisierten Fahren zu erhöhen und die Grundlagen für das Fahren nach SAE-Level 3 zu schaffen“, sagt Dr. Till Nattermann, Leiter des KISSaF-Projektes und Engineering Manager bei ZF. ZF bringt in das Projekt nicht nur seine Expertise beim automatisierten Fahren ein, sondern kombiniert diese mit seinem Knowhow im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) durch sein KI-Technologiezentrum in Saarbrücken.
Wechselwirkung von Verkehrsteilnehmern macht Erfassung komplex
Eine Voraussetzung dafür, mögliche Verkehrssituationen vorherzusagen, besteht darin, dass Fahrzeuge ihr Umfeld möglichst genau erfassen und analysieren. Straßenbeschaffenheit, Verkehrsschilder, Fahrzeuggeschwindigkeit sowie die Positionen und Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer müssen dafür erkannt, interpretiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Denn gerade die Wechselwirkung der Verkehrsteilnehmer miteinander macht die Vorhersage von Verkehrssituationen enorm komplex. Zudem müssen die erfassten Daten so aufbereitet werden, dass sie von einer künstlichen Intelligenz interpretiert werden können. Hier sind die Projektpartner schon ein gutes Stück vorangekommen. „Mittlerweile haben wir eine erste KI-kompatible Umfeldmodellierung entwickelt und sind in der Lage die Bewegung verschiedener Verkehrsteilnehmer besser vorherzusagen“, sagt Timo Osterburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dortmund.
Agieren statt reagieren: Der Wirklichkeit Sekunden voraus
Mit künstlicher Intelligenz werden aus der Beschreibung des Umfelds mögliche Situationsverläufe modelliert, die die künstliche Intelligenz durchspielt und nach Wahrscheinlichkeit beurteilt. Für einige Sekunden gelingt so der Blick in die Zukunft. „Wir entwickeln und nutzen dafür die neuesten Methoden des maschinellen Lernens“, sagt Dr. Georg Schneider, Leiter des KI-Technologiezentrums von ZF in Saarbrücken. „Wir haben die künstliche Intelligenz bereits mit Realdaten trainiert und es ist uns gelungen, daraus multimodale Zukunftsszenarien für verschiedene Verkehrsteilnehmer vorherzusagen.“ Diese Szenarien legt die KI übereinander und entscheidet, welches Szenario am wahrscheinlichsten ist. Wird der offenbar von seinem Smartphone abgelenkte Fußgänger gleich unachtsam auf die Fahrbahn treten? Weicht ein dicht am Fußgänger vorbeifahrender Radfahrer daher vom Radweg auf die Fahrspur aus? Oder bleibt der Fußgänger auf dem Gehweg und der Radfahrer deshalb in der Spur? Auf Basis dieser Beurteilung kann das Fahrzeug sein eigenes Fahrverhalten frühzeitig anpassen, etwa die Geschwindigkeit verringern oder bremsen, sodass dem menschlichen Fahrer genügend Zeit bleibt, das Steuern zu übernehmen.
KI-basierte Vorhersage kann automatisierte Fahrfunktionen verbessern
Im Projekt KISSaF geht es aber um mehr als um ein rein theoretisches Forschungsvorhaben. Die für die Vorhersagen nötigen Daten werden von einem eigens dafür aufgebauten Messfahrzeug gesammelt. Und die KI-basierte Vorhersage kritischer Verkehrssituationen lässt sich in bestehende automatisierte Fahrfunktionen wie etwa einen Abstandsregeltempomaten oder einen Spurwechselassistenten oder gar ganzen Systemen für das automatisierte Fahren integrieren und so weiter optimieren.