Der Solar Decathlon ist ein internationaler studentischer Innovationswettbewerb für Gebäude, der nach seinem Start in den USA 2002 mittlerweile 13 mal rund um den Globus stattfand und an der Bergischen Universität Wuppertal sein erstes Gastspiel in Deutschland feiert. Sein Ziel ist, den Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand im urbanen Raum aufzuzeigen. Umbauen, Anbauen, Aufstocken und Baulücken schließen sind architektonische Aufgaben, die unter den zentralen Gesichtspunkten Klimaschutz, Ressourceneffizienz, Suffizienz und recyclinggerechtes Bauen zu lösen sind. Ganz konkret ging es um die Wettbewerbsaufgabe, das bekannte Wuppertaler Café Ada im Mirker Quartier umzugestalten und aufzustocken.
Spektakuläre Gebäude-Demonstratoren
Wie die Hochschulteams diese Aufgabe gelöst haben, zeigen sie auf dem Solar Campus in Wuppertal anhand von 10 x 10 Meter großen, ein- bis zweistöckigen und voll funktionsfähigen Gebäude-Demonstratoren. Diese sind ein Ausschnitt ihrer Gesamtplanung, die in insgesamt zehn Kategorien bemessen und prämiert wird, weshalb der Wettstreit auch „Decathlon“, also Zehnkampf heißt. Etwa die Hälfte der Gebäude-Demonstratoren wird über die eigentliche Veranstaltung im Juni 2022 hinaus auf dem Solar Campus verbleiben und bewohnt werden, zum Beispiel dauerhaft oder in Form von Hostel-Vermietungen. Unabhängig davon, ob die Gebäude-Demonstratoren weiterhin in Wuppertal stehen oder wieder an die Hochschule des jeweiligen Teams wandern – all die Innovationen und Technologien, die in den Gebäuden stecken, werden in weiterer Forschung über die nächsten 3 Jahre unter die Lupe genommen.
Gründach mit PV-Röhren
„Unser Kerngedanke bei der Gesamtplanung war, die privaten Grundrissflächen zu minimieren und dafür großzügige Gemeinschaftsorte zu schaffen“ führt Marie-Lise Hofstetter aus, zuständig für Kommunikation und Koordination im Biberacher Team X4S, „Das wollten wir auch auf dem Dach. Daher war es ideal, dort einen intensiv begrünten Garten mit großem Holzdeck zu bauen, der als Pergola gleich die Solarmodule verwendet – ohne Flächenkonkurrenz. Und drunter kann jetzt gemeinsam gechillt, gelacht und gegärtnert werden.“
Die Dachnutzung mit Photovoltaik ist nämlich außerdem verknüpft mit Urban Farming: in mehreren Hochbeeten wachsen Tomaten, Paprika, Zucchini, Salat, Kräuter und Beeren. Und bei der Pflanzenauswahl für die intensiven Grünflächen, die sich ebenbündig zum Holzdeck befinden, achtete man insbesondere auf Biodiversität und Blühpflanzen für Insekten. Hier gedeihen zum Beispiel Rutenhirse, Edeldistel, Pfingstrose, Aster, Polster-Glockenblume und verschiedenfarbiger Ziersalbei. Mit dem Bartstrauch gesellt sich auch ein Vertreter der Halbsträucher unter die Gräser und Stauden. Und wie ist das alles gebaut?
So geht nachhaltig bauen
Zu Photovoltaik, Dachnutzung, Urban Farming und Biodiversität kam als weiterer Benefit auf dem Dach die Retention dazu. Die Biberacher verwendeten den ZinCo-Systemaufbau „Retentions-Gründach“, um Regenwasser zu speichern und zeitversetzt abfließen zu lassen. Genau das entlastet die Kanalisation bei Starkregen. Dazu wurde auf der Kunststoffabdichtung das Systemfilter PV vollflächig auf 64 m² verlegt und in der Folge die Retentions-Spacer RSX 100 aufgebracht. Diese speziell für die Anwendung unter Gehbelägen (übrigens auch unter Fahrbelägen) geeigneten Spacer können bis zu 95 Liter Regenwasser pro Quadratmeter speichern. Die Retentionsdrossel RD 28 reguliert zuverlässig den Wasserabfluss vom Dach und fungiert gleichzeitig als Notüberlauf.
Auf die Retentions-Spacer folgte das Systemfilter PV als Abdeckung und im Bereich des geplanten Holzdecks moosgummibeschichtete Aluminiumprofile, auf welchen die Holzlattung verschraubt wurde. Die Beschichtung gleicht kleinere Unebenheiten aus und dient der Trittschalldämmung. In den intensiv begrünten Bereichen sowie in den Hochbeeten sind passend zur dort gewünschten Bepflanzung die Drän- und Wasserspeicherelemente Floradrain FD 40 verlegt. Darauf folgte das Systemfilter TG sowie die Systemerde Lavendelheide in einer Schütthöhe von rund 13 cm am Boden und rund 20 cm in den Hochbeeten. Hier wurde noch eine dünne Schicht Zincohum aufgebracht, um den humosen Anteil für die durstigen Tomaten und die anderen Nutzpflanzen zu steigern.
Wertvolle Unterstützung mit Rat und Tat erfuhr das Projekt durch Christoph Hokema von der Staudengärtnerei Fehrle, die die wunderschönen Pflanzen lieferte.
Das Team X4S aus Biberach schafft tatsächlich ein Paradebespiel an Dachnutzung und demonstriert exzellent, welche Funktionen alle auf einer einzigen Dachfläche kombiniert und ausgeschöpft werden können.
Zukunftsweisende Ideen
Urban Farming und auch Hydroponic (hocheffizienter Nutzpflanzenanbau in Wasser) machen die Dachgeschoss-Idee des Düsseldorfer Hochschulteams MIMO in ihrer fiktiven Gesamtplanung aus (siehe Rendering). „Wir wollen damit ein Bewusstsein schaffen für einen autarken Lebensstil und gesunde Ernährung. Das Dachgeschoss ist wie ein Gewächshaus, das zu jeder Jahreszeit genutzt werden kann. An kalten Tagen schließt sich die Klimahülle und die Dachterrasse wird zum Wintergarten“ erklärt Patricia Keck, Verantwortliche für den Projektentwurf. „Im Gebäude-Demonstrator spiegelt sich die Urban Farming Idee nun in einer außenliegenden Terrasse wider, weil wir den verfügbaren Innenraum für die vorgesehene Bewohnung benötigten. Die besondere Klimahülle ist natürlich im Demonstrator umgesetzt.“
Mit Klimahülle ist die gesamte Gebäudestruktur gemeint, welche aus beweglichen, horizontalen Lamellen besteht, die sowohl der Belüftung als auch der Stromgewinnung dienen, da sie mit Photovoltaikzellen belegt sind. Ähnlich wie die Fassade funktioniert auch das Dach, denn die Dachlichtbänder lassen sich komplett öffnen und sind ebenfalls mit Photovoltaikzellen ausgestattet. Es gibt also großflächig Strom, Licht und Luft vom Dach. Und zwischen den Lichtbändern ist extensiv begrünt – übrigens auf Basis einer Edelstahlabdichtung. „Wir haben uns für Edelstahl entschieden, da es langlebiger und nachhaltiger als jedes andere Abdichtungsmaterial ist“, konstatiert Patricia Keck.
Unterstützung vom ZinCo-Dachgärtner
In der Ausführung bekam das Düsseldorfer Team MIMO tatkräftige Hilfe durch den Dachgärtner-Fachbetrieb GRÜN+DACH von Jürgen Quindeau. Er verlegte den Systemaufbau „Steinrosenflur“ auf den beiden 1 m x 10 m breiten Streifen. Aufgrund der Edelstahlabdichtung entfiel die sonst übliche Schutzlage und der Systemaufbau startete direkt mit den Drän- und Wasserspeicherelementen Floradrain. Darauf folgte das Systemfilter SF sowie rund 9 cm Systemerde Steinrosenflur und wunderschön vorkultivierten Sedum-Kräuter-Vegetationsmatten. Grundsätzlich wäre natürlich auch eine Aussaat oder Pflanzung von Flach- bzw. Kleinballenpflanzen möglich – nur nicht, wenn sich ein Gebäude-Demonstrator für einen Wettbewerb spontan hübsch macht. Jürgen Quindeau jedenfalls ist von den kreativen Ideen der jungen Hochschulteams restlos begeistert und lässt verlauten: „Ich würde sofort in jedes dieser Häuser hier einziehen“.
Alle sind Gewinner
Unabhängig davon, welcher Gebäude-Demonstrator in welcher Kategorien wie bewertet wurde oder sich nachher als Gesamtsieger herausstellte – alle sind Gewinner, weil Großartiges geleistet wurde in Planung, Umsetzung und als Plattform für die innovativen Gebäudelösungen einer klimaneutralen Zukunft. Und dazu gehören ganz gewiss Grün und Solar.
Autor: Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Sandra Schöll, Pressestelle ZinCo GmbH
Informationen zum Solar Decathlon und den Teams Biberach und Düsseldorf
https://sde21.eu
https://team-x4s.de
https://mimo-hsd.de