Im Grunde wäre Glas ein idealer Werkstoff für elektronische optische Bauelemente, denn es ist chemisch unanfällig und lichtdurchlässig - wäre da nicht seine Sprödigkeit, die hohe Verarbeitungstemperatur und die Tatsache, dass es sich nur aufwändig mechanisch bearbeiten lässt. Daher fristet Glas bislang in der Mikroelektronik noch ein seltenes Dasein z.B. als Isolator.
Nun haben Forscher der MSG Lithoglas AG zusammen mit dem Fraunhofer IZM die so genannte "Additive Mikrostrukturierung" von Glas entwickelt, mit der die Produktion von Image- und Photosensoren, etwa für hochauflösende Kamerachips oder bei Photodioden für BluRay-Laufwerke, extrem vereinfacht und kostengünstiger gestaltet werden kann. Darüberhinaus gilt die Entwicklung aufgrund ihrer Bioverträglichkeit als spannendes Verfahren für die Medizintechnik.
Um Glas mit mikrometerfeinen Strukturen zu versehen, verwendet man bislang Ätz- oder Sandstrahltechniken, mit denen winzige Schichten vom Glassubstrat abgetragen, also gewissermaßen substrahiert, werden.
Verfahren, bei denen auf das vorhandene Glas feinste Strukturen aufgebaut werden, existieren zwar ebenso. Jedoch kommt es bei solchen additiven Methoden wie dem Siebdruck durch meist hohe Prozesstemperaturen zu Veränderungen der optischen Eigenschaften, und die Auswahl der Substratsmaterialien ist sehr begrenz. Organische Träger sind hier nicht möglich. Außerdem sind sie mit sehr hohen Kosten verbunden.
Die von den Berliner Forschern entwickelte Methode umgeht derlei Beschränkungen und erzielt überdies 50-mal genauere Strukturbreiten.
Dabei setzen die findigen Forscher auf ein Prinzip, das bereits seit über 30 Jahren bekannt ist: Die Elektronenstrahlverdampfung. Bei diesem Vakuumprozess wird ein Feststoff (Borosilikatglas) verdampft und kondensiert anschließend in feinsten Formationen auf einer Glasoberfläche - eben additive Mikrostrukturierung. Durch die Weiterentwicklung dieser Technologie durch die Berliner Forscher können so Glasmikrostrukturen mit einer Breite von weniger als 2 µm erzielt werden, was etwa dem Vierzigstel einer Haaresbreite entspricht.
Weil sich die Temperaturen während der Strukturierungsprozesse auf maximal 120 °C beschränken und etablierte Verfahren wie die Lithografie für mehrere Wafer parallel verwenden lassen, bleiben die hervorragenden optischen Glaseigenschaften bei gleichzeitig geringen Prozesskosten erhalten.
Den Anwendungen für diese Technologie sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Als Beispiel dort, wo optische Informationen in der Mikroelektronik verarbeitet werden, kann sie kostengünstig und in großen Stückzahlen zum Einsatz kommen: für Mikrospiegel in Scannern und Displays, in Beschleunigungs- und Drucksensoren, als Lichtquellen wie Halbleiterlasern oder LEDs.
Fraunhofer IZM als Inkubator
Dr. Jürgen Leib, ehemals Forschungs-Leiter für Wafer-Level-Packaging bei der SCHOTT AG und Mitgründer der MSG Lithoglas AG: "Unser Team baut auf eine sehr fruchtbare und langjährige Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IZM in Berlin auf. Das besondere Umfeld und die Kooperation mit dem weltführenden Institut im Bereich Advanced Packaging hat uns ermutigt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen und auch, dies in Berlin zu tun. Das Fraunhofer IZM wirkte quasi als Inkubator für unser junges Unternehmen, und die Kooperation ermöglichte es, die notwendige kritische Masse zu erreichen, um auch anspruchsvolle Entwicklungsaufgaben zu stemmen."
Die MSG Lithoglas AG erforscht, entwickelt und produziert Produkte im Bereich hermetische Passivierung von Halbleitern mit Glas. Die Kerntechnologie des Spin-Offs aus Mitarbeitern des Fraunhofer IZM in Berlin und ehemaligen Mitarbeitern der SCHOTT AG umfasst ein patentgeschütztes Verfahren zum Aufdampfen und Mikrostrukturieren von Borosilikatglas bei niedrigen Prozesstemperaturen auf Halbleitersubstrate.
Die Entwicklung einer flexiblen Technologie, die optimale Materialeigenschaften gekonnt zum Einsatz bringt und das bei gleichzeitig niedrigeren Herstellkosten? Klingt nach einer preisverdächtigen Innovation. Der Innovationspreis, für den die Technologie nun nominiert ist, wird jährlich im Dezember an maximal 5 Bewerber vergeben und ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert. Über Nominierungen und Preisträger entscheiden die 16 Mitglieder einer unabhängigen Jury.
Nun befinden sich die Lithoglas-Innovatoren und ihre Mitstreiter vom Fraunhofer IZM in der letzten Runde. Wenn alles gut geht, sind sie dann bei der Preisverleihung am 5.12.2008 mit dabei.
Weitere Informationen zum Innovationspreis: www.innovationspreis-bb.de