Viele Unternehmen haben es vielleicht nicht gemerkt, aber das IAF (International Accreditation Forum) und die ISO (International Organization for Standardization) haben im Handstreich 31 Normen angepasst. Dies betrifft alle Nutzer dieser Normen.
Die ISO hat intern Vorgaben, wie Managementnormen aufgebaut werden sollen, damit alle dem gleichen Schema folgen und eine Integration verschiedener Normen möglichst einfach gestaltet ist.
In der Vergangenheit war das die High Level Structure (HLS). Inzwischen heißt sie „Harmonized Structure“ und ist im Annex SL verschriftlicht.
Im Zuge des Commitments der ISO zur Bekämpfung des Klimawandels wurde das Thema „Klimawandel“ explizit in den Annex SL aufgenommen. D.h., alle neuen Publikationen von Managementnormen (sowohl neue Normen als auch Revisionen) werden das Thema explizit enthalten. Da sich Revisionen jedoch über Jahre hinziehen können und nicht absehbar ist, wann oder ob die nächste Revision kommt, haben sich IAF und ISO zu einem drastischen Schritt entschlossen.
Das Amendment 01:2024 (= Die Änderung 1: Ergänzungen zu klimabezogenen Maßnahmen)
Für all diese Normen kam im Februar 2024 das Amendment 01:2024 bei der ISO raus (z.B. ISO 9001). Diese Anpassungen sind kostenlos bei der ISO verfügbar. Prinzipiell enthalten sie aber alle die gleichen Anforderungen:
Quelle: IAF/ISO Joint Communiqué on the addition of Climate Change considerations to Management Systems Standards. Date 2024-02-22
Das bedeutet, egal ob Qualitäts- Umwelt-, Energie-, Arbeitssicherheitsmanagement oder eine andere ISO-Norm, jede Organisation, die eine oder mehrere Normen anwendet (und zertifizieren lässt), muss ermitteln, inwiefern der Klimawandel für sie, das Managementsystem und interessierte Parteien relevant ist und welche Maßnahmen sich daraus ergeben.
Die DIN (Deutsches Institut für Normung) wird die Änderung 1 voraussichtlich bis Juni 2024 übernommen haben (z.B. 9001, 45001, 14001, 50001 oder 27001). Daher wird sie ggf. ab Ende Juni auch für Audits bei GUTcert Kunden relevant. Da der Klimawandel nicht erst seit gestern Thema ist, wird diese Nachricht die meisten Unternehmen nicht gänzlich unvorbereitet treffen. Aber nicht jede Organisation, die z.B. eine ISO 27001 anwendet, wird Klimawandel bisher als internes und externes Thema bestimmt haben.
Auswirkung auf die Zertifizierung
Audit-Teams werden nun expliziter Fragen in Richtung „Berücksichtigung von Klimawandel“ stellen. Während das bei Audits nach ISO 14001, 45001 oder 50001 schon die ganzen letzten Jahre der Fall gewesen sein dürfte, wird es jetzt auch Audits nach ISO 9001 und ISO 27001 betreffen. Dabei haben Auditorinnen und Auditoren eine Neutralitätspflicht. Es geht nicht darum, die Meinungen zum Klimawandel zu prüfen, sondern ob die Unternehmen das Thema im Rahmen ihres Kontextes und ihrer Interessierten Parteien bestimmt haben. Veränderte Gradtagszahlen, verschobene Jahreszeiten, potentielle Starkwetterereignisse, längere Heißphasen im Sommer, eingewanderte tropische Krankheiten und Insekten sowie andere vergleichbare Fakten sollten natürlich nicht ignoriert werden, sofern sie für die Organisationen und die zertifizierten Systeme relevant sind.
Für die ISO 9001 haben ISO und IAF auch einen Leitfaden zum Themenkomplex herausgegeben. Dieser ist zwar an Auditierende gerichtet, kann aber schon einen Eindruck darüber vermitteln, was beachtet werden sollte, bevor die Systeme auf diese Anforderungen geprüft werden. Vieles ist vom Konzept her ebenfalls auf andere Normen übertragbar.
Eine Liste aller betroffenen Normen befinden sich im Anhang der offiziellen Mitteilung.
Fragen zum Thema beantwortet gerne Seán Oppermann.