Bauboom und steigende Umsätze – die Auftragslage in der Architektenbranche sieht in der Regel gut aus. „Doch damit hat auch die Arbeitsverdichtung deutlich zugenommen“, berichtet Stefan Cords, Unternehmensberater in Potsdam. „Fast alle arbeiten mehr als 40 Stunden die Woche, nicht selten auch 60 oder 70 Stunden.“ Eine Befragung der Bundesarchitektenkammer aus dem Jahr 2016 in Büros selbstständig tätiger Mitglieder ergab, dass die Architekten durchschnittlich 51 Stunden in der Woche für ihren Job tätig sind. Auch wenn die meisten sich mit ihrer Arbeit identifizieren und ihre Arbeit lieben – die Dauerbelastung zehrt an den Kräften.
„Mit relativ einfachen Änderungen in der Arbeitsorganisation lässt sich viel Zeit sparen und Stress reduzieren“, betont Cords. Der Diplom-Pädagoge für Erwachsenenbildung hat sich auf die Berufsgruppe der Architekten spezialisiert: Er bietet seit vielen Jahren bei Architektenkammern Seminare zur Selbstorganisation an und berät Büros in Sachen Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Arbeitsorganisation verbessern
„Betriebliches Gesundheitsmanagement – kurz BGM – das ist mehr als Rückenkurs und Stressbewältigung“, betont Cords. Es geht darum, die Arbeitsabläufe im Büro unter die Lupe zu nehmen: Wer ist für was zuständig? Wie läuft die Übergabe zwischen den verschiedenen Leistungsphasen? „Da entstehen viele Unzufriedenheiten“, so Cords. Auch die Suche nach Dateien, Vorgaben, Checklisten kostet viel Zeit. Und ist die richtige Datei endlich gefunden, ist sie womöglich nicht auf dem aktuellen Stand.
Eine gute Ordnerstruktur hilft: Angestoßen durch ein BGM-Seminar bei Cords erarbeitet das Büro kab Architekten im schwäbischen Fellbach zurzeit ein Handbuch, in dem alle Arbeitsabläufe, Strukturen und Checklisten festgehalten werden. „So weiß jeder Mitarbeiter, wo er was findet“, sagt Matthias Beilharz, einer der drei Leiter des 38-köpfigen Büros. Erwiesenermaßen einer der größten Stressfaktoren ist es, ständig erreichbar zu sein und immer wieder bei der Arbeit unterbrochen zu werden. „Ich bearbeite jetzt nicht mehr jede Mail sofort“, berichtet Beilharz. „Durch das BGM-Seminar haben meine Mitarbeiter und ich gelernt, uns Zeiten zu reservieren, in denen wir nicht ansprechbar sind, um in Ruhe arbeiten zu können.“
Führungskräfte: Engagement anerkennen
Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen sei das Arbeitsklima in den meisten Architekturbüros recht gut, berichtet Cords. „Was jedoch häufig fehlt, ist die Anerkennung der Mitarbeiter durch die Führungskräfte.“ Das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vielen Überstunden – das werde oft als selbstverständlich genommen. Doch Wertschätzung trägt nachweislich dazu bei, dass die Mitarbeiter gesund bleiben trotz hoher Arbeitsbelastung. „Wertschätzung heißt nicht einfach nur Danke sagen“, betont Cords. „Es geht dabei um eine innere Haltung, die bedeutet, dass ich wirklich dankbar bin.“ Matthias Beilharz von kab Architekten sagt: „Ich nehme jetzt mehr wahr, wie sehr sich meine Mitarbeiter für die Projekte einsetzen.“
Redakteurin: Anke Nolte
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