1. Reichl: Moderne Leistungselektronik basiert auf schnell schaltenden Halbleiter-Bauelementen. Je steiler die Schaltflanken, desto effizienter der Umrichter. Nur führen steile Schaltflanken zu einem starken Oberwellenanteil, den der Zwischenkreis nicht immer wegbügeln kann.
Wird die Energie, die in diesen Störsignalen steckt, nicht zielgerichtet abgeführt, bahnt sie sich häufig ihren Weg zu den Antrieben und wird dann in den Motorwicklungen unkontrolliert in Wärme umgesetzt. Kommen dann noch Resonanzeffekte zwischen induktiven Bauteilen und parasitären Kapazitäten dazu, entstehen Spannungsspitzen, die auf Dauer das Isolationssystem der Antriebe schädigen. Die Folge sind dann “unerklärliche” Motor-, Lager- und Spindelschäden - oder auch Überspannungsschäden an den Antriebsumrichtern.
Mit entsprechend ausgelegten, häufig wassergekühlten, Filtern sorgen wir dafür, dass diese Energie in definierte Bahnen gelenkt wird und das erwärmte Wasser ggf. sogar sinnvoll energetisch genutzt werden kann. Das ist auf jeden Fall smarter, als sie über die Antriebe zu verheizen und anschließend aus der Halle zu klimatisieren.
Ihre Filter enthalten Maßnahmen gegen leitungsgebundene Gleich- und Gegentakt-Störungen. Erhöhen diese damit nicht grundsätzlich den Aufwand und verschlechtern den Wirkungsgrad?
2. Reichl: Die Materialkosten des Gesamtsystems steigen nicht zwangsweise. In manchen Fällen können dafür andere Maßnahmen entfallen, welche bisher die Symptome der Störungen, aber nicht deren Ursachen bekämpft haben.
Um den Arbeitsaufwand vor Ort möglichst gering zu halten, liefern wir immer mehr einbaufertige All-in-One-Filter. Die Kunden müssen sich nicht um die interne Verdrahtung kümmern; Klemmen und damit Übergangswiderstände zwischen den einzelnen Bauteilen entfallen.
Auf der anderen Seite der Rechnung steht nicht selten die Reputation - oder, noch schlimmer, Vertragsstrafen. So unlängst passiert bei einem namhaften Unternehmen. Bei Antrieben an Werkzeugmaschinen war es immer wieder zu unerwarteten Ausfällen gekommen. Ursache dafür war ein nicht an die Applikation angepasstes Standard-Filter. Unser AFE-Filter ist zwar im Einkauf teurer, unter dem Strich aber die günstigste Lösung, weil damit die Produktionsausfälle beim Endkunden weg waren.
Auch was die Auswirkungen auf den Wirkungsgrad der Gesamtanlage angeht, brauchen wir uns nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil. Denn entscheidend an dieser Stelle ist das enge Zusammenspiel zwischen den Entwicklern der Leistungselektronik mit den Spezialisten für das Auslegen der induktiven Komponenten. Genau deshalb haben unsere Kunden direkten Zugang zu unserem Entwicklungsbereich. Bei kniffligen Fragestellungen fahren meine Kollegen schon mal mit raus, schauen sich das vor Ort an und helfen dabei, die Messwerte richtig zu interpretieren.
Haben Sie eine Faustregel, beispielsweise ab wann es sinnvoll ist, über ein AFE-Filter im Zwischenkreis nachzudenken?
3. Reichl: Gemeinsam mit einem weltweit tätigen Unternehmen im Bereich hochleistungsfähiger Antriebssysteme haben wir uns in einem Referenzprojekt auf Ursachen und Auswirkungen von potenziell gefährlichen Gleichtaktstörungen gemacht, viel gemessen, gerechnet und einiges ausprobiert. Im Zwischenkreis, also auf der Versorgung der Antriebsumrichter, entstehen prinzipbedingt getaktete Spannungssprünge gegen Erde. Diese führen zu hohen Ableitströmen, die sich einerseits den Weg zu den Motorwicklungen suchen, auf der anderen Seite aber auch das Netzfilter sättigen und damit wirkungslos machen können.
Dieser Gleichtakt im Zwischenkreis sind ja Störsignale, die über die Erde zurückfließen. Dagegen hilft eine entsprechend ausgelegte Gleichtakt-(Filter-)Drossel, auch stromkompensierte Drossel genannt. Zusätzlich kommen Y-Kondensatoren zum Einsatz, welche hochfrequente Signalanteile direkt an den DC-Servoreglern zur Erde abführen.
Nach unseren gemeinsamen Erkenntnissen sollte man in rückspeisefähigen Systemen immer dann über den Einsatz eines AFE-Filters nachdenken, wenn:
- im System mehr als drei DC-Servoregler im Einsatz sind,
- wenn eine einzelne Motorleitung länger als 10 m ist, oder
- wenn sich die Leitungslängen aller Motorkabel zu mehr als 30 m addieren.
Dominik Reichl ist Geschäftsführer des Familienunternehmens Schmidbauer Transformatoren und Gerätebau GmbH aus dem niederbayerischen Hebertsfelden, etwa 80 km östlich von München.
Das Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern gilt als einer der führenden Entwickler und Hersteller modernster induktiver Komponenten für die Leistungselektronik. Gemeinsam mit regionalen Hochschulen oder dem KIT lotet das Unternehmen beständig die technischen Grenzen aus und entwickelt Lösungen für Schaltfrequenzen bis 100 kHz, Ströme bis 2.700 A oder Leistungen bis 2.700 kVA.
Weitere Informationen unter: https://www.schmidbauer.net/de/